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Kultur: Ein wissenschaftliches Symposion zu den Festtagen der Berliner Staatsoper

Der Politikwissenschaftler Udo Bermbach spricht aus, was das Internationale Wissenschaftliche Symposion der Staatsoper zugleich so reizvoll und unentwirrbar macht: Kein Künstler hat so wie Richard Wagner die unterschiedlichsten Disziplinen der Forschung mobilisiert. "Wagners Folgen", so der von Intendant Georg Quander formulierte Titel der Drei-Tage-Sitzung zu den Festtagen 2000, hat nicht weniger im Visier als "Das Kunstwerk der Zukunft und die Zukunft der Kunst".

Der Politikwissenschaftler Udo Bermbach spricht aus, was das Internationale Wissenschaftliche Symposion der Staatsoper zugleich so reizvoll und unentwirrbar macht: Kein Künstler hat so wie Richard Wagner die unterschiedlichsten Disziplinen der Forschung mobilisiert. "Wagners Folgen", so der von Intendant Georg Quander formulierte Titel der Drei-Tage-Sitzung zu den Festtagen 2000, hat nicht weniger im Visier als "Das Kunstwerk der Zukunft und die Zukunft der Kunst".

Da der Fall Wagner in Musik, Dichtung, Theater und Politik evident wird, in Schriften des Komponisten und der Wirkungsgeschichte des Werkes, sind Einwände wie dieser programmiert: "Sind wir jetzt beim unpolitischen Wagner?" Er kommt mitten in die Diskussion um Thomas Mann - "Tief ist der Brunnen der Vergangenheit" - und das Contra-Es des "Rheingold"-Beginns. Losgetreten hat sie der Theaterwissenschaftler Dieter Borchmeyer mit seinem faktenreichen Vortrag zu "Eigensinn und Sinnenteignung des Mythos": Die Josephsromane seien wie der "Ring" ein Festspiel. Wie dort gebe es einen mythischen Einstieg, ein Urgeschehen, das sich zur Tetralogie weitet.

Dabei sind Borchmeyers Ausführungen durchaus politisch zu nennen, denn er nimmt "Wagners Wirkung im Widerspruch von Poesie und Politik" beim Wort, vergleicht den "Seelenhaushalt" des Königs Ludwig II. mit dem Adolf Hitlers - Weihe des Herrschertums, Mythensucht. Mit einem Zitat von Franz Fühmann, "Im Mythos nistet immer ein Widerspruch", benennt Borchmeyer das Fehlen moralischer Eindeutigkeit aller Wagner-Figuren, das sie instrumentalisierbar mache. Bermbach, der zum Thema "Politisierte Ästhetik - ästhetisierte Politik" einen Blick zurück wirft, meint die anarchische Struktur des Wagnerschen Denkens bis in die musikalische Praxis hinein verfolgen zu können. Den Politologen beschäftigt die Frage: Wieso geht diese starke Position Wagners, die Revolutionierung aller politischen Verhältnisse bis hin zur Festspielidee, in der Rezeptionsgeschichte verloren? Trick der Einvernahme! Sakralisierung, der "Segen" von Bayreuth - eben die Epigonen: "böse Wagnerianer" nennt Borchmeyer sie. Bei solcher Konsequenz Bermbachs pocht Borchmeyer auf Wagners Inkonsequenz. Das freundschaftliche Duell - "Dieter, es muss nicht an meinen Argumenten liegen!" - mobilisiert den Gedankenflug.

Musik- und Politikwissenschaft Hand in Hand, Hermann Danuser mit Herfried Münkler, gestalten erneut den Staatsopernkongress in Verbindung mit der Humboldt-Universität und dem Wissenschaftskolleg. Münkler dreht den Spieß um, indem er die Politik als Theater beleuchtet, "die Inszenierung politischer Ereignisse nach den Vorgaben der Kunst": Der Kaiser Augustus wird theatralisiert, die Ästhetisierung in Richtung Massenereignis durch den Faschismus entwickelt. Die antike Tragödie der Griechen wie das Wagner-Theater hingegen, die beide als Reflexionsraum der Politik taugten, als Schulung der politischen Urteilskraft, setzten Abstand zum Zeitgeschehen voraus. Sie seien das Gegenteil der heutigen Intimitätssimulation im Wohnzimmer. Diese visualisierende Politikvermittlung wirke eher reflexionshemmend, weil sie die Auseinandersetzung mit den Ursachen - Kriegsbilder! - erschwere.

Als eine zukunftweisende fachwissenschaftliche Begabung geht die junge Camilla Bork dem "berühmtesten Verklärungsschluss der Operngeschichte" nach, Isoldes Liebestod H-Dur, der über das Werk hinausweise. Bork führt durch die "Verklärte Nacht" behutsam zu Arnold Schönbergs Zweitem Streichquartett fis-Moll. Hier stehe die Auflösung von Zeit am Anfang des Werkes, und dann folgt die Entrückung: "Ich fühle Luft von anderem Planeten".

Das Auditorium im Apollo-Saal, ratlos: Claus-Steffen Mahnkopf spricht von "musikalischer Dekonstruktion", einem "Begriff von Modernität jenseits einer totalisierenden Rationalität" anhand einer eigenen Komposition, die in einem Klangbeispiel vorzuführen er nicht willens oder imstande ist. Danusers Reaktion ist eine Beschwichtigung: Auch die Spaltung der Musikkultur sei eine Wagner-Folge. - Der Literaturdozent Markus Bernauer thematisiert wiederum Symbolismus, Décadence und "Wagnerisme", die "wagnerische" Dichtung bis zu Thomas Mann. Dabei geht es nicht nur um die vertrauten Leitmotive, sondern auch um das Motiv der Todessehnsucht, z.B. bei Hanno Buddenbrook.

Und der Tristan-Akkord f-h-dis-gis darf im "Tristan"-Jahr des Hauses nicht fehlen: ein schierer Akkord mit eigenem Namen - sphinxhaft, unsterblich bis zu Adaptionen von György Kurtág und Hans-Ulrich Treichel, so bestaunt Danuser den Wunderklang. Dessen Analyse gibt dem Referenten drei Fragen auf: Ist er transponierbar, ist er umkehrbar, ist er enharmonisch umdeutbar? Der Rätselcharakter des Akkords impliziert, dass der Wissenschaftler dreimal zwiespältig antwortet: Ja und Nein.

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