zum Hauptinhalt

Kultur: Eine Art Elektrizität

Es war die Stunde der Grundsatzreden zur Architekturpolitik: Keiner der Redner bei der gestrigen Eröffnung des 21. UIA-Architekturkongresses ließ es sich nehmen, vehement für sein Steckenpferd zu plädieren.

Es war die Stunde der Grundsatzreden zur Architekturpolitik: Keiner der Redner bei der gestrigen Eröffnung des 21. UIA-Architekturkongresses ließ es sich nehmen, vehement für sein Steckenpferd zu plädieren. Hier die Sorge um die knapper werdenden Ressourcen und ihren Schutz durch Ökosteuern (Bundeskanzler Gerhard Schröder), dort der Stolz auf die gelungene Orientierung am historischen Stadtgrundriss Berlins (Stadtentwicklungssenator Peter Strieder) oder – angesichts der rapiden Strukturveränderungen von Städten gerade in sozial schwächeren Ländern – die Sorge um die Verantwortung für die soziale Architektur von morgen (UIA-Präsident Vassilis Sgoutas).

Dass dieser Kongress, den, so Sgoutas, „eine Art Elektrizität“ durchwehe, mehr Kundgebung als Bestandsaufnahme sein werde, zeichnete sich schon in den ersten Stunden ab: Unter dem Titel „Ressource Architektur“ geht es um die Stadt von morgen – und das wird, bei aller Bewunderung der Kongressteilnehmer für Berlin und seine Wiederaufbauleistungen, kaum noch die „europäische Stadt“ Strieders sein.

Die Frage, wie die Politik mit Architektur leben und umgehen könne, hatte Kongresspräsident Andreas Gottlieb Hempel hintersinnig angesprochen, indem er Schröder mit dem Hinweis aufs Podium bat, er sei der Nutzer eines der bedeutendsten Berliner Gebäude der neueren Zeit. Kurzes Stutzen beim Kanzler, dann gab dieser mit Blick auf das von ihm wenig geliebte Bundeskanzleramt zu, es sei ein „schönes und gutes neues Gebäude“. Von der gebauten Herrschaftsarchitektur, die, so Schröder, der Vergangenheit angehöre, kam er schnell auf ihm wichtigere Fragen wie die Verbesserung von Lebensqualität in Städten zu sprechen: „Politik und Architektur sind sich darin sehr ähnlich, dass sie das Leben und den Lebensraum von Menschen gestalten, dass sie nicht nur reglementieren, sondern Bedingungen für individuelle Lebensgestaltung schaffen wollen.“

Es waren ungewöhnlich ernste, engagierte Worte, die Schröder zum Thema Architektur und Stadtentwicklung fand. In den Städten liege die Zukunft, so der Kanzler: Das traditionelle Gleichgewicht von Stadt und Land sei nicht mehr zu bewahren. Mit kritischem Seitenblick auf die im Klimaschutz bislang wenig engagierten USA plädierte Schröder daher für eine nachhaltige Architektur, die den Verbrauch fossiler Energien reduziert und verstärkt auf Solar- und Windenergie setzt: „Der weltweite Klimaschutz darf nicht von der Größe und Macht einzelner Länder abhängen.“ Mit Blick auf die boomenden asiatischen Megacities erfülle ihn die Entwicklung der Stadtstrukturen mit großer Sorge, so der Kanzler: „In den Städten entscheidet sich, wie wir miteinander leben werden, ob wir Minderheiten benachteiligen oder die Vielfalt als Reichtum empfinden.“ Im kommenden „Jahrtausend der Städte“, wie es Kofi Annan auf der Weltkonferenz „Urban 21“ vor zwei Jahren in Berlin genannt hatte, komme den Architekten eine entscheidende Rolle zu. Die Politik werde gut zuhören. Christina Tilmann

NAME

Zur Startseite