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Kultur: Eine kleine Mordmusik

Rolf Hochhuth frönt auch in seinem neuesten Stück "Nachtmusik" seiner Leidenschaft, historische Irrtümer aufzuklären. Der Siebzigjährige wirft die Frage auf: Warum wurde Mozarts Tod den Wienern erst bekannt gegeben, als seine Leiche schon beerdigt war?

Rolf Hochhuth frönt auch in seinem neuesten Stück "Nachtmusik" seiner Leidenschaft, historische Irrtümer aufzuklären. Der Siebzigjährige wirft die Frage auf: Warum wurde Mozarts Tod den Wienern erst bekannt gegeben, als seine Leiche schon beerdigt war? Mit detektivischem Scharfsinn gelangt der Dramatiker zur Schlussfolgerung, Mozart sei ermordet worden. Um den Skandal zu vertuschen, habe man ihn schnell in einem Massengrab unter die Erde gebracht, unauffindbar, damit die Leiche nicht exhumiert werden konnte. Der Mörder war Franz Hofdemel; der hohe Beamte war eifersüchtig, weil seine Frau Magdalena ihn mit Mozart betrog.

In seinem Aufsatz "Mozart und das Ehepaar Hofdemel" (in "Täter und Denker", Rowohlt Verlag) entfaltet Hochhuth das Problem mit der bekannten und oft verspotteten Umständlichkeit - ganz anders in seinem Stück, das jetzt in Glasgow uraufgeführt wurde. Sein Übersetzer Robert David MacDonald, der auch Regie führte, wählt als englischen Titel "Mozarts Nachtmusik" und trifft damit eine Intention Hochhuths. Der Dramatiker will die Nachtseite des Komponisten erhellen, die in früheren Biographien meist ausgespart wurde - um ein Schlaglicht auf den Zusammenhang von Erotik und Kreativität zu werfen.

Der erste Akt des "Requiems für drei Personen in zwei Bildern" erinnert an Strindberg, mit gehörigem ironischem Abstand. Trotz des missratenen Versuchs, den Dialog wienerisch klingen zu lassen - der Showdown im Geschlechterkampf von Franz Hofdemel und seiner schönen Frau Magdalena ist spannend. Er wirft ihr Untreue vor, was sie nicht bestreitet. Hofdemel leidet unter dem sexuellen Glück seiner Frau umso mehr, als er sich Mozart unterlegen fühlt, vor allem als Liebhaber. Der Gehörnte hat seinen Rivalen Mozart mit einem langsam wirkenden Gift ermordet, und seine Frau hält ihm das vor. Motiv Eifersucht? Sexualneid? Die beglückte und keineswegs reuige Magdalena gibt nicht nach, da greift der bis zur Raserei gereizte Gatte zum Rasiermesser und will ihr ans Leben. Er kommt nicht zum Ziel, Nachbarn brechen, als sie Schreie hören, die Tür auf; doch sich selbst kann er noch die Gurgel durchschneiden.

Der zweite Akt ist Hochhuth noch etwas besser gelungen. Magdalena hat Audienz beim Kaiser. Der Monarch will herausbekommen, was wirklich war. Magdalena will aber auf jeden Fall verbergen, dass ihr Mann Mozart ermordet hat; sie hat ein vitales Interesse, den Kaiser zu veranlassen, ihren Mann ehrlich beerdigen zu lassen. Als Selbstmörder würde er, griffe der Kaiser nicht ein, in eine Kuhhaut genäht und auf dem Schindanger verscharrt. Der Kaiser und die hochbegabte Pianistin, der erotische Schnüffler und die schöne Sünderin umschleichen sich: Herausforderungen an die Geschmeidigkeit der Darsteller.

In Glasgow spielt Anne Marie Timoney Magdalena Hofdemel. Sie hätte ihre Rolle noch stärker ausreizen können. Der erste Teil bietet überdies mehr Möglichkeiten, Eifersucht und männliche Minderwertigkeitsgefühle auszuspielen, als Robert David MacDonald bei seiner Uraufführungsinszenierung nutzt. Der zweite Teil glückt in Glasgow nicht, weil Tristram Wymark als Kaisers zu viel Wert aufs Majestätische legt und zu wenig auf Leopolds psychologischen Scharfsinn. Doch der Dialog wirkt in Robert David MacDonalds Übersetzung bei der Uraufführung erfreulich schlank und federnd - mit der Erkenntnis, dass Erotik die Schaffenskaft befeuert. Eine alte Weisheit, die nicht oft genug wiederholt werden kann.

Ulrich Fischer

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