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Kultur: Eine Liebe von Friedrich Nietzsche

LITERATUR

Allzumenschlich ist der Kummer eines in Liebesdingen Abgewiesenen. Wenn der aber Friedrich Nietzsche heißt, können die Folgen übermenschlich sein. Meint die Italienierin Laura Pariani in ihrem Roman „Sehnsucht nach Orta“ (A.d. Italienischen von Annette Kopetzki. C.H. Beck Verlag, 253 S., 19,90 €). Mai 1882: Im oberitalienischen Orta treffen sich der Philosoph Paul Rée, sein Kollege Nietzsche und die junge Lou von Salomé. Rée und Nietzsche sind in die 21-Jährige verliebt, die beider Heiratsanträge ablehnt, weil sie ein freies Leben führen will. Während sich zwischen Lou und Rée eine Freundschaft entwickelt, bricht der enttäuschte Nietzsche mit seiner Angebeteten. Hier die lebenslustige junge Frau, dort der einsame, von Migräne und Depressionen heimgesuchte Denker. Ein reizvoller Stoff. Und ein gefährlicher. Denn, so die Lou-Biografin Linde Salber, man sollte „von dem Glanz der Wirkungsgeschichte und Legendenbildung, die sich später um diese beiden Menschen kristallisiert haben, zunächst absehen“ und „sich das Ganze banaler vorstellen“. Das jedoch liegt der 51-jährigen Autorin fern.

Die tragischen Folgen von Nietzsches Obsession demonstriert Pariani, indem sie den Philosophen, den sie gern als „unseren Professor“ apostrophiert, auf einer vom „bösen Wind der Erinnerungen“ getriebenen Odyssee bis zum Turiner Zusammenbruch 1888 vorführt. An einer Entwicklung Nietzsches ist Pariani ebenso wenig interessiert wie an seiner Philosophie. Obwohl Pariani den inneren Monolog ihres Helden durch den Wechsel der Erzählperspektiven aufzulockern versucht, gerät er zu einem monotonen Rondo von Platitüden – auch wegen ihrer unfreiwillig komischen und schiefen Bilder.

Thomas Schaefer

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