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Kultur: Einfach weiterdrehen

Matinee in der American Academy: Robert De Niro, Matt Damon und Volker Schlöndorff über „The Good Shepherd“, die Kunst des Schauspielens und das Geheimnis der Regie

VOLKER SCHLÖNDORFF: Wir führen hier eine Art privates Gespräch. Ich bin sowieso kein großer Redner.

ROBERT DE NIRO: Ich auch nicht.

SCHLÖNDORFF: Richard Holbrooke (früherer US-Botschafter und Mitgründer der American Academy) hat uns zusammengebracht. Woher kennen Sie Ihn?

DE NIRO: Ich hab ihn mal bei einer Party kennen gelernt. Er ist ein großer Filmfan.

SCHLÖNDORFF: Haben Sie sich Holbrookes Erfahrungen als Diplomat für Ihren CIA-Film „The Good Shepherd“ zunutze gemacht?

DE NIRO: Richard war sehr hilfreich, er half mir auch schon bei „Wag the Dog“. Diesmal hat er mich unter anderem mit dem CIA-Veteran Milton Bearden bekanntgemacht, der unser technischer Berater wurde. Aber am Ende muss man seinen Film selbst zusammenkriegen, egal wie oft man mit Experten essen geht.

SCHLÖNDORFF: Ihr Hauptdarsteller Matt Damon ist auch hier. Können wir vielleicht noch einen Stuhl für Matt haben? Matt, war es von Anfang an klar, dass Sie Ihre Rolle so verhalten anlegen würden? Sie laufen ja fast wie ein Zombie durch den Film, das ist ganz schön gewagt.

DAMON: Und es kommt dem Publikum nicht gerade entgegen. Trotzdem ist es kein Wagnis, als Schauspieler das zu tun, was Robert De Niro sagt. Ich bin brav seinen Anweisungen gefolgt.

SCHLÖNDORFF: Würden Sie auch meinen Anweisungen folgen?

DE NIRO: Aber klar. Der Regisseur ist der Boss, man stellt sich in den Dienst seiner Vision. Als Schauspieler kann ich höchstens mal meine Meinung sagen. Meistens ist das nicht sehr hilfreich.

SCHLÖNDORFF: Welche Phase mögen Sie als Regisseur am liebsten: die Scriptarbeit, das Drehen oder den Schnitt, wenn man mit seinem Baby allein ist?

DE NIRO: Ich mag die Einsamkeit im Schneideraum. Bei den Dreharbeiten ist alles unübersichtlich, man steckt mittendrin und weiß nicht, was alles fehlt …

DAMON: … und dann sagen auch noch die Schauspieler ihre Meinung.

SCHLÖNDORFF: Es liegt in der Natur von Geheimdienstlern, dass sie wenig von sich preisgeben. Wie bereitet man sich auf so einen vor? Sie, Bob, sind als Schauspieler ja berühmt dafür, dass Sie bei Ihren frühen Rollen mit einer fertig gestalteten Figur zum Set kamen.

DE NIRO: Na, dem Regisseur musste es schon auch gefallen. Als ich mit Martin Scorsese „Wie ein wilder Stier“ drehte, haben wir uns oft mit Jake La Motta, meinem realen Vorbild, getroffen. La Motta hat sehr viel von sich erzählt, ich weiß nicht, ob ich über meine Arbeit so viel zu sagen hätte. Trotzdem musste ich meinen eigenen Jake erfinden.

SCHLÖNDORFF: Mir geht es beim Drehen manchmal so, dass ich nach einem vermeintlich ganz normalen Drehtag plötzlich Gänsehaut bekomme und weiß, wegen genau dieser Szene drehe ich diesen Film. Kennen Sie das auch?

DE NIRO: Das Tolle an „The Good Shepherd“, dessen Drehbuch ein paar Jahre in verschiedenen Versionen in der Filmszene kursierte, war, dass es sich las wie ein richtiger Roman. Und beim Drehen gab es tatsächlich Momente, in denen ich begriff: Das ist der Kern der Geschichte. Einer davon ist die Szene, in der Joe Pesci fragt: „Wir Italiener haben unsere Familien, die Iren haben ihre Heimat, die Juden ihre Tradition, sogar die Nigger haben was, nämlich ihre Musik. Aber was habt ihr Amerikaner?“ Und Matt Damon sagt: „Die Vereinigten Staaten von Amerika, der Rest von euch ist nur zu Besuch.“

SCHLÖNDORFF: Mir ist die Beziehung zwischen Matt Damons CIA-Mann und dessen Sohn zu Herzen gegangen. Er ist der passive Beobachter seines Vaters, er existiert eigentlich gar nicht, bis er am Schluss explodiert. Da ist er fast wie der junge De Niro.

DE NIRO: Ich versuche immer, Schauspieler den Nationalitäten ihrer Figuren entsprechend zu besetzen. Aber in diesem Fall war der Brite Eddie Redmayne einfach die beste Wahl.

SCHLÖNDORFF: Vor ein paar Wochen habe ich ihn selbst gecastet. Er erzählte mir, dass Sie nie zwischen den Takes unterbrechen. Normalerweise bestehen Dreharbeiten ja nur aus Unterbrechungen. Man sagt „Cut“ und alles geht wieder von vorne los. Das ist, wie wenn man für einen 100-Meter-Lauf immer wieder neu lossprinten muss. Sie dagegen drehen einfach weiter – was sich angesichts der hohen Kosten vermutlich nur ein Robert De Niro leisten kann.

DE NIRO: Ja, ich lasse die Kamera einfach weiterlaufen. Ich vergeude nicht gerne Zeit damit, eine Szene immer wieder neu einzurichten. Wenn man die Sache am Laufen hält, geht der magische Moment nicht so leicht verloren und es stellt sich eine andere Spielgeschwindigkeit ein.

SCHLÖNDORFF: Tun Sie das auch, weil nach 15 Durchläufen die Kontrolle nachlässt und sich wieder so etwas wie Improvisation einstellt?

DE NIRO: Sie sagen es. Oft weiß man hinterher gar nicht, was genau man gefilmt hat und entdeckt erst im Schneideraum die besten Takes. Mit Martina Gedeck gibt es diese Szene, in der sie Matt Damon wie verrückt anschaut. Bei irgendeinem Durchlauf spielte sie weniger absichtsvoll, vielleicht weil sie abgelenkt war. Das war der subtilste Take.

DAMON: Ich erinnere mich an einen der Monologe von De Niro als Nebendarsteller. Das waren vier Takes mit vollen elf Minuten, am Ende konnte ich den Text nicht mehr hören und die Augen fielen mir zu. Irgendwann gerätst du wirklich in eine andere Dimension.

DE NIRO: Ich habe als Schauspieler oft das Gefühl, dass ich am besten bin, wenn ich bei einer Gegenschussaufnahme gerade nicht im Bild bin. Weil meine Selbstbeherrschung dann weniger groß ist.

SCHLÖNDORFF: Das habe ich einen Schauspieler noch nie über sich selbst sagen gehört. Mike Nichols hat einmal gesagt, mit dem Regieführen sei es wie mit der Liebe. Man weiß nie, wie die anderen es machen. Als Schauspieler wissen Sie, wie viele andere es machen, nicht nur Scorsese. Sie haben sogar einmal mit Elia Kazan gearbeitet, wie war er?

DE NIRO: Ja, in „The Last Tycoon“, er war großartig. Bei Stella Adler hatte ich gelernt, dass man keinen Personenkult betreiben oder seine eigenen Neurosen ausbeuten muss, um glaubwürdig zu sein. Wir haben stattdessen analysiert so wie man den Text eines Theaterstücks studiert. Kazan dagegen ging ganz praktisch vor. Er machte es uns Schauspielern einfach und nahm uns die ganze Arbeit ab.

SCHLÖNDORFF: Matt, hat Bob Ihnen auch die ganze Arbeit abgenommen?

DAMON: Bob erwähnte eben die Szene mit Joe Pesci über die Mentalität der Amerikaner. Zu der sagte er mir vorher: Du musst mit ihm reden, als er ob eine Kakerlake sei. Ein paar Wochen später erwähnte ich das gegenüber Joe Pesci, und der musste lachen. Denn Bob hatte auch zu ihm gesagt: Du musst mit ihm reden, als ob der Typ eine Kakerlake sei, das letzte Miststück. Er macht es uns Schauspielern wirklich einfach.

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