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Kultur: Einfalt statt Sorgfalt

Wie Kunsthändler und Auktionshäuser dreisten Fälschern auf den Leim gehen

Seit knapp fünf Jahren gibt es in Wien ein „kriminelles“ Museum. Schräg gegenüber des Hundertwasserhauses werden ausschließlich Kunstfälschungen ausgestellt. Nach deutschem Recht ist das Kopieren von Kunstwerken noch keine Straftat – unzulässig wird es erst, sobald mit den Fälschungen Geld verdient werden soll. Diese Absicht hegte ein nun in Köln festgenommenes Trio, das Werke aus der Sammlung seines Großvaters Werner Jäger verkaufte. Einziges Problem: Die Sammlung existiert überhaupt nicht.

Mit „schauspielerischer Brillanz“, so Henrik Hanstein vom Kölner Auktionshaus Lempertz, hätten die Enkel des vermeintlichen Sammlers internationale Händler und Versteigerer wie das traditionsreiche Auktionshaus Christie’s genarrt. Seit 1992 lieferten sie immer wieder angebliche Gemälde von Max Pechstein, Max Ernst oder Fernand Léger ein. Die Bilder wurden als marktfrische Ware verkauft – unter anderem an eine Handelsgesellschaft. Sie erwarb 2006 ein Werk des Krefelder Expressionisten Heinrich Campendonk zum spektakulären Kaufpreis von 2,9 Millionen Euro und ließ es zur Sicherheit untersuchen. Ergebnis: Das verwendete Pigment Titandioxid existierte 1914, zum Zeitpunkt der angeblichen Entstehung des „Roten Bildes mit Pferden“, noch gar nicht. Vier weitere Fälschungen wurden inzwischen sichergestellt, andere sollen noch auf dem Markt kursieren. Vor wenigen Tagen hat das renommierte Rathgen-Forschungslabor in Berlin einige der brisanten Bilder zu Untersuchungszwecken erhalten.

Laut Experten zeigt dieser Fall, wie das Profitdenken von Händlern und Auktionshäusern deren Blick für die Provenienz eines Werkes trübe. Angesichts von Schätzungen, die den Anteil an Fälschungen auf dem Kunstmarkt auf knapp vierzig Prozent beziffern, sei stets erhöhte Sorgfalt geboten. Vor allem bei Werken, die nie zuvor abgebildet oder erwähnt wurden. Eine ordentliche Dokumentation dieses jüngsten Skandals könnte demnächst in Wien erfolgen: Im Fälschermuseum wäre der falsche Pechstein neben den falschen Gemälden von Monet und van Gogh gut aufgehoben.Daniel Grinsted

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