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Kultur: Einführung ins Serail

Eine

von Rüdiger Schaper

Man muss die Oper lieben. Sie ist eine der letzten Kampfzonen westlicher Kultur. Man muss sie verteidigen: die Komische Oper, die seit Felsenstein immer ein innovatives Musiktheater war. Gegen Calixto Bieitos Interpretation der Mozart’schen „Entführung aus dem Serail“ fährt die SpringerPresse in Berlin eine Schmutzkampagne, so geschmacklos und niedrig, wie man es nur von britischen Boulevardblättern im Zusammenhang mit königlichen Bettgeschichten kennt. Sie stellt die Existenzfrage der Oper – über das Geld.

Natürlich: Es ist nicht jedermanns Sache, was der spanische Regisseur und sein Ensemble mit Mozart machen. Aber eben: mit Mozart, nicht gegen seine Musik. Man muss respektieren, dass Bieitos Gewaltszenen manch einem Opern-Besucher an die Nieren gehen. Ja, es tut weh, was die Frauen im Bordell erleiden. Ja, es geht um Gewalt, Mädchenhandel, moderne Sklaverei. Und nicht so sehr um Pornografie. Das ist der eigentliche Skandal: Die „BZ“ weidet sich mit triefigen Schlagzeilen am Sex auf einer subventionierten Bühne – und druckt täglich zwei Seiten Puff-Inserate („Süße Polin“, „naturgeile Karibik“): eine Einführung ins Serail!

In der heftigsten Szene zeigt Bieito, wie eine Frau mit dem Messer aufgeschlitzt wird. Empörend? Ein nicht minder blutiges Geschnipsel beendet die „Lulu“ der Schaubühne. Nur hat sich kein Premierengast darüber erregt. Man sah es mit Gleichmut. Ist das nicht ekelhaft – und ein Versagen des Regisseurs Thomas Ostermeier, im Gegensatz zu Bieito? Daimler-Chrysler will nun seine Unterstützung für die Komische Oper „überprüfen“. Das ist das Recht eines jeden Sponsors. Und für die Kultur ein Lehrstück: Sie darf sich nicht abhängig machen von privaten Geldgebern, um ihrer Freiheit willen. Deshalb und dafür gibt es Subventionen. Für Schönheit und Wahrheit. Für Erkenntnis und Schmerz. Für die Kunst.

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