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Kultur: Eingebunkert

Israel streitet um das Rabin-Memorial

Dass der Beruf des Baumeisters historisch mit dem Bau von Gräbern begonnen hat, mag dem Architekten Mosche Safdie, einem persönlichen Freund des 1995 ermordeten Premierministers Jitzchak Rabin, schmerzlich bewusst gewesen sein. Doch das „Rabin Memorial Center“ im Norden Tel Avivs, mit dessen Bau der kanadisch-israelische Stararchitekt betraut wurde, will mehr sein als bloß Gedächtnisstätte: auf 20 Hektar erstreckt sich ein Gebäudekomplex, der wie die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem den Rang eines nationalen Pilgerorts hat. Das Rabin-Zentrum, das auf den Überresten eines in den fünfziger Jahren durch die AEG erbauten Regierungsbunkers errichtet ist, beherbergt neben der Rabin-Gedenkhalle weitere Museumsbauten, eine Bibliothek, ein Auditorium und ein Institut für Friedensforschung. Das eigentliche Memorial – ein zylindrischer, dem New Yorker Guggenheim-Museum nachempfundener Innenraum – fügt sich in ein beziehungsreich angeordnetes Raumprogramm, das durch einen „Path of Nations“ erschlossen wird.

Aber Safdie, dem die Klaviatur architektonischer Metaphern geläufig ist, scheint sein formaler Instinkt diesmal verlassen zu haben. So zeichnet sich das Herzstück des Areals, die Gedenkstätte, im Gebäudeäußeren kaum ab. Und die weißen, spielerisch geschwungenen Dachflächen – die nach Auskunft des Architekten mit Taubenflügeln assoziiert werden dürfen – wirken seltsam kraftlos angesichts des massigen, erdverhafteten, mit „Jerusalem Stone“ verkleideten Gebäuderumpfs. Auch erscheint es als Missgriff, dass das Rabin-Museum dem mehr als fünf Mal so großen Museum der israelischen Streitkräfte – im Bunker Ben Gurions untergebracht – nur aufgesetzt ist.

Die heftige Kritik, die in Israel an dem Gebäude laut geworden ist, stößt sich jedoch weniger an architektonischen Unzulänglichkeiten als an der Gedächtniskultur des Ausstellungskonzepts. Eine Dekonstruktion Rabins post mortem stelle die Schau dar, erklärte der renommierte Architekturkritiker Zvi Elhyani. Die Darstellung von Rabins Vita ist auffällig auf die Friedensdemonstrationen von 1995 und Rabins Ermordung reduziert. Erst sein Tod löste jene Welle der Trauer aus, in der das Land vereint und versöhnt erschien. Als Politiker hatte Rabin wie keiner vor ihm den Riss sichtbar werden lassen, der Israel in zwei Lager spaltete. Die Verklärung des Attentatstods ist bequem auch für jene, die Rabin einst einen „Verräter“ nannten. Jedoch wird mit der Kontroverse um seine Gedenkstätte auch deutlich, dass Rabin im Herzen Israels noch zu lebendig ist, um schon zu Grabe getragen zu werden.

Joachim Trezib

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