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Eingeschränkt: Ai Weiwei und Berlin

Das Atelier in Oberschöneweide, die UdK-Gastprofessur. Was wird aus Ai Weiweis Berliner Projekten nach der Freilassung des Künstlers?

Noch hat Ai Weiweis Galerist Alexander Ochs nicht bei dem Künstler angerufen. Ochs kann sich gut vorstellen, wie es in Peking gerade zugeht: Journalisten umlagern das Haus, die Handys klingeln unentwegt. Er gönnt Ai lieber erst einmal Ruhe. Vom Wichtigsten hat er sich anhand jener Fotos überzeugt, die seit der Haftentlassung kursieren: „Er sieht gesund aus, vor allem aber ungebrochen.“

Davor hat Ochs die größte Angst. Dass der unbeugsame Kritiker psychisch unter Druck gesetzt wird. Wie die alltäglichen Repressionen, auch subtile, in China wirken, hat Ochs zuletzt vor drei Wochen gemerkt: In seiner Pekinger Galerie zeigt er Arbeiten der in San Francisco lebenden Malerin Hung Liu. Zur Ausstellungseröffnung war auch Lu Qing eingeladen, Ai Weiweis Ehefrau. Sie ließ jedoch ausrichten, dass es ihr momentan nicht möglich sei vorbeizukommen. Lieber nichts unternehmen, was die Behörden verärgern könnte – das ist eine Richtung, in die sich solche Zurückhaltung interpretieren lässt.

Sorgen machen Ochs die Auflagen, die Ai gemacht wurden. „Seine Bewegungsfreiheit ist sehr eingeschränkt.“ Es sei ja auch keine wirkliche Freilassung. „Bislang hatte er keine Schwierigkeiten, vor Ort zu arbeiten und seine Kunst aus dem Land zu bringen.“ Wie es nun wird, vermag der Galerist nicht zu sagen. Ebenso wenig möchte er über mögliche Reisen spekulieren, dafür sei es viel zu früh.

Ais Berliner Projekte ruhen: das Atelier in Oberschöneweide, das der Künstler kurz vor seiner Verhaftung ausfindig gemacht hat. Ebenso die Gastprofessur an der Universität der Künste. Dort hieß es gestern, Präsident Martin Rennert habe die Bundeskanzlerin in einem Brief um Unterstützung gebeten und hoffe, dass sich Angela Merkel auch für die Pläne der Universität einsetze. Unabhängig davon werde die Universitätsleitung „alles daran setzen, in den nächsten Tagen persönlich mit Ai Weiwei in Kontakt zu treten und zu bewirken, dass er die angebotene Professur antreten kann, sobald es ihm möglich ist“.

Die jüngsten Projekte hat der Künstler noch selbst angeschoben. Eine Schau in New York, die große Ausstellung seiner Fotografien im schweizerischen Winterthur und jene Übersicht im Kunsthaus Bregenz, die im Juli die architektonischen Projekte des Künstlers zusammenfasst. An allen hat Ai persönlich mitgearbeitet, er geht stets sensibel auf die räumlichen Gegebenheiten ein.

In Berlin zeigt das Museum für Asiatische Kunst in Dahlem weiterhin das aus Tausenden Blättern gepresste „Teehaus“. Die eindrucksvolle, zum Gallery Weekend eröffnete Ausstellung in der Galerie Neugerriemschneider, die Ai Weiwei ebenfalls vertritt, ist hingegen abgebaut und könnte ohne Ais konzeptionelle Vorgaben auch kein zweites Mal erstehen. Das Werk braucht den Künstler, der die einzelnen Elemente immer neu arrangiert und in andere Zusammenhänge bringt.

„Wir sind sehr erleichtert, dass Ai Weiwei wieder zurück bei seiner Familie ist und es ihm den Umständen entsprechend gut geht“, sagen die Galeristen Tim Neuger und Burkhard Riemschneider. „Und wir hoffen, dass auch der Verbleib seiner bis heute verschwundenen Mitarbeiter so schnell wie möglich aufgeklärt wird.“

So sieht es auch Alexander Ochs als einer der Initiatoren des „Berliner Appells“, in dem im Internet Ais Freiheit gefordert wurde: „Alle Unterzeichner haben einen Beitrag geleistet. Freilich ist die Grundforderung ‚Freiheit für Ai Weiwei’ damit nicht erfüllt. Wir fordern die zuständigen Behörden auf, nun auch Ai Weiweis Mitarbeiter Wen Tao, Xiao Pang, seine Buchhalterin Hu und Liu Zhengang frei zu lassen.“

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