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Einheitsdenkmal: Runter vom Sockel!

Scheitern des Wettbewerbs für das Einheitsdenkma: Als Ursache wird oft genannt, die Ausschreibung habe zu viel gewollt. Ein Vorschlag zum Einheitsdenkmal.

Unter den Ursachen, die für das Scheitern des Wettbewerbs für das Einheitsdenkmal genannt werden, klingt am plausibelsten die Feststellung, die Ausschreibung habe zu viel Verschiedenes gewollt: das Gedenken an die Wiedervereinigung, die Revolution von 1989 und ihre europäischen Zusammenhänge, den Rückblick auf 1848. Und das alles auf dem Sockel des von Kaiser Wilhelm II. vor das Schloss postierten Nationaldenkmals zu Ehren seines Großvaters, des Reichsgründungskaisers Wilhelm I. Diesen dynastisch geprägten Standort soll zudem künftig das Humboldt-Forum bestimmen, das dem globalen Diskurs der Kulturen gewidmet sein wird – ein WeltOrt im historischen Zentrum Berlins.

Dem Projekt Wilhelms II. war ein vom Reichstag 1888 ausgeschriebener Wettbewerb für ein Nationaldenkmal vorausgegangen. Es sollte „an Umfang und Hoheit der Einigung Deutschlands ebenbürtig“ sein, wie die „Kreuz-Zeitung“ schrieb. Den Teilnehmern war aufgetragen worden, auch einen geeigneten Standort vorzuschlagen. Der erste Preis ging an eine mächtige Denkmalsarchitektur gegenüber dem Reichstag. Wilhelm II. annullierte jedoch das Ergebnis, zog das Projekt an sich und verfügte den Standort vor dem Schloss. Aus seiner Sicht drohte eine Relativierung des monarchischen Prinzips, hätte der von ihm verachtete Reichstag sich des Denkmals der Symbolfigur des Reichsgründers bemächtigt und mit der Wahl des Standorts zugleich sich selbst zum Garanten der nationalen Einheit erhoben. Deren Garanten – so die Botschaft des dann realisierten Denkmals – könnten nur der Kaiser hoch zu Ross und das Haus Hohenzollern sein, verkörpert im Berliner Schloss. Das monarchische Prinzip blieb gewahrt und fand in der Übereinstimmung von Standort und Botschaft seinen Ausdruck.

Wie könnte heute die ehemalige Schlossfreiheit zum Symbolort für Freiheit und Einheit der demokratisch verfassten Nation werden? Und was wäre denn die Botschaft des Denkmals? Die zentrale Parole der Revolutionäre von 1989 hieß „Wir sind das Volk“ und machte den Anspruch „des Volkes“ auf Selbstbestimmung und als Souverän über die staatlichen Institutionen geltend. Die nachhaltige Empörung richtete sich gegen den notorischen Wahlbetrug und die Verweigerung demokratischer Rechte, insbesondere des Rechts auf Freizügigkeit.

Ein Standort, der mit der Botschaft von 1989 übereinstimmt, wäre bei den demokratischen Institutionen westlich des Brandenburger Tors zu suchen. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, heißt es im Grundgesetz. Im „Band des Bundes“ sind Bauten der Gesetzgebung und der vollziehenden Gewalt (Bundestag und Kanzleramt) sinnfällig aufgereiht. Dazwischen klafft eine Lücke, das „Bürgerforum“. Dieser Ort des Souveräns zwischen Legislative und Exekutive ist bisher ohne Inhalt, ohne Bauherr und Budget. Dort wären die mit dem Denkmal zu feiernden Helden der Revolution von 1989 angekommen, wo sie hinwollten. Das Denkmal könnte ein erster Baustein sein, um diese Lücke zu schließen und in der politischen Topografie der Hauptstadt die Botschaft von 1989 zu verankern.

Bernhard Schneider lebt als Architekt und Publizist in Berlin.

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