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Kultur: Einigt euch!

Gute Leute, die mit Rücktritt drohen, spielen ein gefährliches Spiel.Von ihrer Unverzichtbarkeit überzeugt, meinen sie, sich nicht wirklich selbst ins Spiel zu bringen - wohl aber ihr gesammeltes Engagement für die gute, die bessere Sache.

Gute Leute, die mit Rücktritt drohen, spielen ein gefährliches Spiel.Von ihrer Unverzichtbarkeit überzeugt, meinen sie, sich nicht wirklich selbst ins Spiel zu bringen - wohl aber ihr gesammeltes Engagement für die gute, die bessere Sache.Weil die Welt aber eher böse ist, nehmen eher böse Leute solche Vorstöße gern wörtlich.Marco Müller will gehen? Ja, wenn das so ist!

Natürlich will Marco Müller, seit sieben Jahren Filmfestivalchef in Locarno, nicht gehen.Und wenn man seinen administrativen Kontrahenten glauben darf, so hatten sie sich auf eine Fortsetzung seines Ende September auslaufenden Vertrages eingerichtet.Also rätselte alle Welt während des soeben zuende gegangenen 51.Filmfests im Tessin über die tatsächlichen Motive des Direktors, der zum Start die Bombe zündete.Und auch sein drei Seiten starker offener Brief zum Festival-Finale brachte, weil zwar bis zum Pathos kämpferisch, inhaltlich aber wolkig, kaum Licht in die Sache.

Fest steht: Unter den Filmfestivals ist Locarno ein Solitär.Und Marco Müller hat ihn, nach einigen eher stumpfen Jahren, wieder aufs Schönste zum Funkeln gebracht - wofür Programm ebenso wie Publikumszahlen sprechen.Den ganz Großen wie Cannes, Venedig und Berlin kann und will Locarno nicht Konkurrenz machen.Aber die Konzentration auf Erst- und Zweitfilme und die Arbeit von Regisseuren, die vor ihrem internationalen Durchbruch stehen, sorgt für scharfes cineastisches Profil.Und so hat auf seinem leuchtendsten Podium, der Piazza Grande, auch scheinbar sprödes Kino seinen furiosen Auftritt vor einem nach Tausenden zählenden Publikum.

Warum also die Aufregung? Vor allem wohl, weil es diesem vergleichsweise karg subventionierten Festival an Mitteln fehlt, bestimmte technische und organisatorische Dauermängel zu beheben.Und weil das Trommeln für ein besseres Budget allein dem idealistischen Workoholic - so begreifen ihn kundige Beobachter - gewißlich zu unfein erscheint, verpackt Müller sein Begehr in cineastische Protestklauseln gegen die Verhökerung der "Filme und Zuschauer als Ware", auch gegen die "künstlich erzeugten Bedürfnisse des Massenpublikums".Daß er die Belege dafür schuldig bleibt, mag als bestes Indiz für den blanken Ablenkungsangriff gelten.

Einigt euch im Guten - und zum Guten!, möchte man in die Schweiz hinüberrufen.Marco Müller mag ein Hitzkopf sein (wie übrigens mancher Filmfestivalchef), aber was er auskocht, taugt.Kühle Köpfe gibt es genug auf dieser Welt.jal

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