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Die Nebel des Kommerzes. Scott McKenzie in späteren Jahren, vor Studiokulisse mit der Golden Gate Bridge. Was er hier wohl gerade singt? Foto: teutopress

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Kultur: Einmal San Francisco ...

... immer San Francisco: zum Tod des Sängers Scott McKenzie.

Woodstock wurde immer überschätzt. Es mag das größte Festival der Sechziger gewesen sein, das größte Chaos, der längste Regen und einer der dauerhaftesten Mythen der Pop-Geschichte. Musikalisch und musikhistorisch aber konnte Woodstock den Rang von Monterey nicht erreichen. Auf dem Freigelände der kleinen Stadt, 180 Kilometer südlich von San Francisco, geschahen Mitte Juni 1967 seltsame Dinge.

Ein schwarzer Gitarrist namens Jimi Hendrix spielte die Massen schwindelig, eine weiße Bluessängerin – Janis Joplin, wer sonst – stürmte mit Whiskyflasche die Bühne. Nach dem Auftritt bekamen sie und ihre Band Big Brother and The Holding Company einen Plattenvertrag von Columbia. Otis Redding faszinierte das Publikum ebenso wie The Who und der indische Sitar-Guru Ravi Shankar. Jefferson Airplane traten auf, Grateful Dead, Eric Burdon und seine Animals, Simon and Garfunkel ... die Liste ist endlos. Was für eine Variation von Stilen, Charakteren, Nationen! Es war das Treffen einer im Entstehen begriffenen Großfamilie. Einige fehlten, verpassten den Eintrag ins Geschichtsbuch. Die Beach Boys und die Beatles hatten abgesagt, die Kinks und Donovan keine Visa für die USA bekommen. Der damals auch noch sehr junge Neil Young schaffte es nicht nach Monterey, für ihn sprang David Crosby bei Buffalo Springfield ein.

Am letzten Abend waren The Mamas and the Papas dran. Sie brachten natürlich „California Dreamin’“, und dann kam ein Typ auf die Bühne und sang ein Lied, das John Phillips, einer der Papas, geschrieben hatte. Philipps hatte Monterey mit organisiert, und die folgende Nummer war als Werbesong für das Festival gedacht: „San Francisco (Be Sure to Wear Flowers in Your Hair)“. Der Sänger hieß Scott McKenzie. In einem weißen Gewand, mit leuchtenden Augen und kleinen Engelslöckchen, so stand er am Mikrofon und brachte jene Zeilen dar, die zur Hymne werden sollten:

„For those who come to San Francisco

Summertime will be a love-in there

In the streets of San Francisco

Gentle people with flowers in their hair“ Sie kamen. Massenhaft. Dabei ist es unwichtig und auch gar nicht mehr zu eruieren, was zuerst da war: das Gefühl oder der Song. Der Drang nach Westen, zur Hippie-Werdung, oder die starken Worte:

„All across the nation such a strange vibration / People in motion

There’s a whole generation with a new explanation.“

Das war Prophetie, oder ganz einfach schnell und gut eingefangener Zeitgeist. Dem Oberzyniker Gottfried Benn wird der Spruch zugeschrieben: „Ein Schlager von Klasse enthält mehr Jahrhundert als eine Motette“. So ein Hit, mindestens, war „San Francisco“. McKenzie hatte über Nacht einen Welterfolg. Es blieb sein einziger. Er hat das Lied tapfer immer wieder gesungen, stieg in den Neunzigern bei den Mamas/Papas ein, und war da schon ein Flower-Power-Großvater. San Francisco hätte ihm eine hohe Ehrenrente spendieren müssen. Solche Stadtchoräle sind unbezahlbares Marketing, jeder kann sie mitsingen: „London Calling“ oder „New York, New York“.

Sein Lied hat Millionen glücklich gemacht. Man weiß nicht, ob er selbst ein unglückliches Leben hatte, danach. Es mag den Anschein haben. One hit wonder, ein furchtbarer Ausdruck. Jetzt ist Scott McKenzie mit 73 Jahren in Los Angeles an einer schweren Nervenkrankheit gestorben. Seine kristalline, hohe Stimme, die sanfte Gewalt der „people in motion“, der verführerisch in die Länge gezogene Name des heiligen Franziskus – wer hat das in diesem Moment nicht im Ohr?

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