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Gefühl dafür, was gut ist. Maik Schierloh (links) und Joep van Liefland beim Aufbau ihrer Benefizausstellung.

© Mike Wolff

Einmal volltanken, bitte!: Premiere im Autocenter: Benefiz-Auktion als Zukunftssicherung.

Zum ersten Mal käuflich: Nach zehn Jahren versteigert der Kunstraum Autocenter nun Werke für einen guten Zweck: um zu überleben

„Townhouse Finale“ steht in großen Lettern auf dem Schild. Das klingt wie eine Drohung, denn was sich auf dem frisch bebauten Grundstück dahinter erhebt, taugt höchstens zur Karikatur ehrgeiziger Stadtgestaltung. Es sind Wohnschachteln, die mit Townhäusern ungefähr so viel gemein haben wie rosa Pressfleisch mit echtem Prager Schinken.

Boomtown Friedrichshain: Auf dem Areal der ehemaligen Schlachthöfe entkoppelt sich die Werbesprache von der Wirklichkeit. Der wahre Alltag liegt ein paar Meter weiter: An der Eldenaer Straße erhebt sich ein Discounter, der nicht alle Räume seiner zweckmäßigen Architektur besetzt. Durch eine Seitentür gelangt man in den Projektraum Autocenter im ersten Stock, er ist das eigentliche Versprechen an diesem Ort: eine Adresse der visionären Ideen, an denen permanent gearbeitet wird. Je mehr sich die Strukturen in der einstigen Brache verfestigen, die urban hätte werden können und am Ende doch Kleinstadt geworden ist, desto stärker rückt das Temporäre, Bruchstückhafte von Autocenter in den Fokus.

In das Entwicklungsgebiet sind Maik Schierloh und Joep van Liefland im Herbst 2007 gezogen. Damals war ihr Raum so leer und roh wie das gesamte Gelände. Noch immer kann man sich gut vorstellen, wie die beiden Künstler unter dem notdürftig gedämmten Dach gestrichen und gewerkelt haben. Anschließend holten sie ausrangierte Art-Forum-Kojenwände vom Messegelände in Charlottenburg und zogen auf ihren 330 Quadratmetern zusätzliche Ausstellungsflächen ein.

Die Geschichte des Ausstellungsraums, der – anders als Galerien – non profit funktioniert und nichts verkauft, ist allerdings schon älter – zehn Jahre genau. Begonnen hat sie in einer Autolackiererei neben dem Lovelite, das Schierloh damals als Clubbesitzer betrieb. „Wir hatten beide ein Gefühl dafür, was gute Kunst sein könnte“, sagt Schierloh in der Rückschau. Das wollte man zeigen. Seitdem zeichnet sich Autocenter vor allem durch sein Tempo und das Niveau der Ausstellungen aus. Egal ob von Katja Strunz, Gabriel Vormstein, Jonathan Meese, Clemens Krauss, Tatjana Doll, Santiago Serra, Amelie von Wulffen, Thomas Kilpper oder Eberhard Havekost: keine Arbeit hängt länger als drei Wochen.

Auch beim Besuch kurz vor der Eröffnung der neuen Schau sind Schierloh und van Liefland ziemlich agil. Packen Bilder aus, treiben Nägel in die Wände, kleben mit einem Ohr am Handy. Wahrscheinlich ist das hier gerade noch etwas anstrengender als sonst. Denn diesmal hat das Duo etwas vor, für das es alle Prinzipien über den Haufen wirft: Die Ausstellung, die ab morgen eine Woche lang zu sehen ist, ist käuflich. Komplett, und so teuer wie möglich – es beginnt bei 800 und reicht bis 30 000 Euro. Zur Auswahl stehen Werke von Thomas Scheibitz, Jorinde Voigt, Olafur Eliasson, Thomas Eller, Christian Jankowski, Martin Eder, Cyprien Galliard oder Katharina Grosse. Unter anderen. 36 Künstler haben Bilder und Skulpturen für die „Autocenter Benefit Auction“ am 8. September gespendet. Damit Autocenter eine Zukunft hat.

„Wir haben schnell angefangen, wir wollen dynamischer sein als der Rest“, sagt der 1966 in den Niederlanden geborene van Liefland. Weil sie so vieles interessiert und die Hauptstadt aktuell ein Zentrum internationaler Kunstproduktion ist. Nebenbei haben sich die beiden die Achtung ihrer Kollegen erworben. Autocenter wird als Projektraum überregional beachtet und war jüngst auch zu „Based in Berlin“ eingeladen, um sich im Atelierhaus Monbijoupark als Off-Institution vorzustellen.

Lesen Sie weiter: Über die Schattenseiten der Arbeit unter Hochgeschwindigkeit.

Doch das Arbeiten unter Hochgeschwindigkeit hat auch Schattenseiten. Die Initiative altert, ihre Initiatoren ermüden. Autocenter hing schon immer am Tropf, doch so langsam geht den Pflegern die Luft aus. Schierloh und Liefland, die inzwischen gut 120 Ausstellungen realisiert haben, brauchen zusätzliche Mittel. Weil sonst das Geld, das die beiden anderswo verdienen, immer nur in eine Richtung fließt.

„Das ist für uns finanzieller Hardcore“, gesteht Schierloh, Jahrgang 1968. Ihm gehört die Babette Bar an der Karl-Marx-Allee, deren Einnahmen zum Großteil direkt nach Friedrichshain fließen. Dass nun externe Unterstützung von allen Seiten kommt, berührt die Autocenter-Erfinder. So engagiert sich das Auktionshaus Philips de Pury & Company mit einem Versteigerer, der kommende Woche unentgeltlich den Hammer schwingt. Und die Berliner Sammler Joelle und Eric Romba haben den privaten Freundeskreis Autocenter e.V. gegründet, unter dessen Dach die Auktion überhaupt stattfindet. „Wir reden viel über Kunsthallen, Förderung und die Leuchttürme der Stadt. Maik und Joep haben Autocenter zehn Jahre lang aus eigener Tasche gemacht, sie sind dicht dran an der Kunst und den Künstlern“, sagt Eric Romba und nennt Autocenter die „Graswurzelbewegung zeitgenössischer Kunst in Berlin“.

Dass es so bleibt, hoffen sie alle. Die „Benefit Auction“ soll vorerst den Freiraum sichern, in dem man über andere Modelle der Finanzierung nachdenken kann. Schließlich hat Berlin kaum Orte von vergleichbarer Qualität. Ende der neunziger Jahre war die Stadt voll mit halb offiziellen Bars und Projekträumen, die als Künstlertreffs fungierten. Heute ist davon in Berlins Mitte nur noch wenig zu sehen – sie wächst zu wie die Siedlung auf dem ehemaligen Schlachthof. Dabei braucht es Refugien, um entspannt zusammenzukommen, neue Formate ohne kommerziellen Druck auszuprobieren und sich auszutauschen – eine Notwendigkeit, die man bei allen Plädoyers für einen vitalen Kunstmarkt leicht vergisst.

Vielleicht wird aus dem Autocenter, was in dem Namen noch verborgen ist – ein Kunstzentrum, das sich selbst trägt.

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