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Kultur: Eins, zwei, drei

Jan SchulzOjala über den Kino-Triumph von „Good Bye, Lenin!“ Wollen die denn alle ihre DDR wiederhaben, nur weil die ostelbischen Kino-Kassierer jetzt überall FDJ-Blauhemden überstreifen, die Multiplex-Foyers auf einmal wie realsozialistische Wohnzimmer geschminkt sind und mancher Filmfan gleich in der NVA-Uniform anmarschiert?

Jan SchulzOjala über den

Kino-Triumph von „Good Bye, Lenin!“

Wollen die denn alle ihre DDR wiederhaben, nur weil die ostelbischen Kino-Kassierer jetzt überall FDJ-Blauhemden überstreifen, die Multiplex-Foyers auf einmal wie realsozialistische Wohnzimmer geschminkt sind und mancher Filmfan gleich in der NVA-Uniform anmarschiert? Wollnse nich. Machen die sich jetzt alle total lustig über die komischen Ossis, die Zehntausende, die von Aachen bis Aalen hin und weg sind von der potemkischen DDR nur für Mutter Kerner alias Katrin Sass? Machense nich.

So obersimpel – als Ossi-Nostalgie und Wessi-Häme – geht er wohl nicht auf, der plötzliche Erfolg von Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“. Erst mal holen sie überhaupt alle nur Luft nach dieser fulminanten Startwoche (über 500000 Besucher bis gestern), nach dem historischen Zuschauerschnitt pro Filmkopie, mit dem die eigentliche Nachfrage nach einem Film gemessen wird (2133!, mehr als „Harry Potter“ in seiner ersten Woche), nach dieser Volksfeststimmung in den Sälen mit Applaus zum Abspann landauf landab. Und legen seitens des Verleihs erstmal nach: auf fast doppelt soviel Kinos in der zweiten Woche. Und träumen von: eins, zwei, drei Millionen Besuchern, mehr als Leander Haußmanns „Sonnenallee“ damals, vor vier Jahren.

Nein, dieser Film hat offenbar an seinem ersten Tag eine Art gesamtdeutsche Donnerstagsdemo losgetreten, und dann eine Freitags-, eine Sonnabendsdemo und so fort. Und ein Lachen ausgelöst, das im Westen und Osten vielleicht immer mal ein bisschen andersfarbig erklingt, aber ein in der Summe gemeinsames Lachen. Vielleicht so (und vielleicht kommt dieser Film auch deshalb zur rechten Zeit): Die DDR ist endlich wirklich mausetot, also können wir sie endlich auch mal hochleben lassen – auf 79 Quadratmetern wohlweislich, in Mutter Kerners familiärer Krankenstube im Plattenbau.

Willkommen also im neuen deutschen Heimatmuseum: nicht in klug zergrübelten Bewältigungsarbeiten („Helden wie wir“, „Berlin is in Germany“), nicht in der Nummernrevue („Sonnenallee“), sondern in einem Alltagsmikrokosmos voller Glück und Schmerzen, der nichts weiter als deiner war. Und meiner gewesen sein könnte.

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