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Kultur: Einsiedler im eigenen Kopf

Death Cab for Cutie im Berliner Postbahnhof

Als die vier Musiker aus Seattle auf die nur mit einem weißen Vorhang abgehängte Bühne des Postbahnhofs kommen, hat es einer ganz besonders eilig. Sänger Benjamin Gibbard stürmt auf seinen Helfer zu, der ihm die Stratocaster umhängt, etwas Zackig-Ungeduldiges liegt in seinen Bewegungen, als er am Mikrophon wartet, die Gitarre in Hüfthöhe, bis sein Kollege Christopher Walla am Keyboard die ersten sphärischen Akkorde angespielt hat. Ohne eine Miene zu verziehen, ohne eine Geste der Rührung singt er, dass er ganz Manhattan umarmen und aus seinem Mund eine Marschkapelle defilieren lassen könnte, damit diese den Namen seiner Angebeteten singe. Es dauert nur ein paar Takte und Death Cab for Cutie haben ihr betörendes Klanggewand beim Eröffnungskonzert ihrer Europatournee über ein wie in Hypnose erstarrtes Publikum geworfen. Anderthalb Stunden später werden sie es wieder lüften und die Leute verändert nach Hause schicken.

Gibbard ist ein Romantiker, der wie „ein Einsiedler im eigenen Kopf“ haust und eine Liebeserklärung in die todtraurige Zeile kleidet: „I will follow you into the dark“. Aber der Welt abgewandt ist er nicht. Dass die Karriere seiner Band vor bald zehn Jahren mit einem heftigen Fall von Liebeskummer begann, ist seinen melodiewallenden Rocksongs zwar bis heute anzuhören. Doch ist sein zärtlicher Blick auf des Alltag im Handfesten verankert. Im schwarzen Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln wuselt er über die Bühne, sitzt mal am Piano, drischt auf ein Kleinschlagzeug ein und schrubbt über die Saiten seiner Springsteen-Gitarre. Bei Ausflügen in frühere Schaffensphasen wird die raue Seite des Quartetts ausgelotet. Flammende Lärmwände, explodierende Beckenschläge und der Glaube, dass laute E-Gitarren schon ein ziemliches Pfund sind. Beim Hinausgehen, wie betäubt, kreist im Kopf Gibbards Falsett- Stimme: „A melody softly soaring through my atmosphere“.

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