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Kultur: Eintopf

ALL THAT JAZZ Christian Broecking über einen, der auszog, die Ehrfurcht zu lernen Vor zehn Jahren war er der neue Gott der Slide Gitarre. Der Autodidakt Dave Tronzo erzählt gerne, dass er schon mit 13 gewusst habe, welchen Sound er wollte.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking über einen,

der auszog, die Ehrfurcht zu lernen

Vor zehn Jahren war er der neue Gott der Slide Gitarre. Der Autodidakt Dave Tronzo erzählt gerne, dass er schon mit 13 gewusst habe, welchen Sound er wollte. Das kann natürlich keiner überprüfen, doch im Gegensatz zu zahllosen anderen imitiert Tronzo nicht die gängigen Gitarrenklischees, sondern orientiert sich an so genannten NonGuitar-Instruments, den Stimmen von Aretha Franklin und James Brown zum Beispiel. Der heute 45-jährige Tronzo spielte mit John Cale, den Lounge Lizards, David Sanborn und zahlreichen Musikern der Knitting Factory und Sonic Pools der New Yorker New Rock- und Jazzszene. Mit dem Trio Spanish Fly nahm er Musik für Robert Altmans Film „Short Cuts“ auf, coverte Nirvana-Songs und nannte das Ganze „Grunge-Jazz“.

Von der Fachpresse wurde er schon unter die bedeutendsten Gitarristen gereiht, dennoch war es in den letzten Jahren sehr ruhig um ihn. Leute mit ungeraden Biografien sind schwer einzuordnen, so war auch nicht vorhersehbar, dass Tronzo einmal am Bostoner Berklee College of Music dozieren würde, was er ab nächsten Monat tut. Vor 20 Jahren ging er eine Zeit lang nach Nashville, um zu lernen, wie die Real Country Guitar gespielt wird. Nicht den Country Blues, der im Radio läuft, sondern jenen Klang, den die Leute auf dem Land spielen, Typen, die nie ihre Farm verlassen haben und das auch gar nicht erstrebenswert finden.

Tronzo hat die meiste Zeit seines frühen Musikerlebens mit solchen Studien zugebracht: In New York spielte er vier Jahre lang als einziger Weißer in der Hausband einer New Yorker Baptistenkirche. Das habe zwar sein Leben verändert, gibt Tronzo zu, aber auch viel, viel Zeit gekostet, Lebenszeit, in der andere Dutzende von Platten machen. Die Leute seien regelrecht hypnotisiert worden, sie kreischten, schrien und stampften, so wie man es von den frühen James Brown-Konzerten kennt. Während der Zeremonie musste Tronzo den Prediger auch auf der Sologitarre begleiten – verglichen mit so einer Predigt klinge eine Jazzplatte wie ein fades Eintopfgericht, meint er. Als Weißer in einer All-Black Neighbourhood zu verkehren, sei überhaupt mitunter ganz schön tough gewesen.

Was Tronzo allerdings bisher nicht so recht gelang, sind seine eigenen Bandprojekte. Da verließ er sich leider – zuweilen bis zur Schmerzgrenze – auf schlecht motivierte und preiswerte Tourmusiker, was nicht gerade zur Vergrößerung seines Publikums beitrug. In dieser Woche ist er nach langer Pause wieder als der große Solist und Sideman zurück, und zwar mit Jerry Granellis „The V16 Project (extreme-acoustics)“ am Mittwoch im Quasimodo (22 Uhr) und am Freitag in der Wabe (21 Uhr).

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