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Kultur: Elefanten am Potsdamer Platz

Alle Macht der Super 8: die schönsten Underground-Filme auf DVD

Das Medium ist haltbar wie Tupperware: Der legendäre „K40“-Film hat eine Herstellergarantie von 30 Jahren. Da fällt kaum ins Gewicht, dass Kodak im Sommer ankündigte, die Minikassetten als letzter Hersteller vom Markt zu nehmen. Das körnige Material ist hip wie in den Achtzigern: Nach der im Frühjahr erschienenen „Berlin Super 80“-Sammlung erscheint nun eine weitere DVD-Compilation mit Super-8-Kurzfilmen, die vor einem Vierteljahrhundert im Berliner Underground entstanden. Heute wird sie in der Berliner Volksbühne vorgestellt: ein erfrischend undogmatisches, punkiges Konglomerat aus Kunst- und Musikfilmen. Ihr Titel: „Alle Macht der Super 8“.

So hieß damals das Super-8-Festival im Eiszeit-Kino, das den üblichen chaotischen Szeneregeln gehorchte: Jeder darf mitmachen, alle Filme sind gleichberechtigt. Schaut man sich heute diese „Momentaufnahmen der West-Berliner Subkultur 1978– 1981“ an, dann besticht ihr spröder Charme: der quallige, am ganzen Körper behaarte Nachbar, der in einem Waschsalon den Levi’s-Werbespot nachstellt und sich vor sachte reagierenden Hausfrauen aller Kleidungsstücke entledigt. Oder das neonplastikgrelle Liebesdrama „Ohne Liebe gibt es keinen Tod“, bei dem jedes Achtziger-Revival-Girl mit asymmetrischer Frisur sehen kann, wie komisch und affig diese Zeit wirklich war.

Die Herausgeber der DVD Ricarda Eggs und Matthias Eder haben ein paar der Filme bereits 2004 beim Punk-Kongress in Kassel gezeigt. Für die digitale Marktversion mussten sie eine Auswahl treffen, schon aus musikrechtlichen Gründen. Entgegen der aus dem Anarchismus des Punk resultierenden Sitte, die meist stummen Filme mit aktuellen Musikstücken zu untermalen, erklärten sich die rechteverwaltenden Verlage oft nicht bereit, die Songs gegen eine akzeptable Summe zur Verfügung zu stellen. Nun hat man die Filme mit neu vertonten Songs in ähnlichem Gewand versehen. Geschadet hat es ihnen nicht. Eine Ortsbeobachtung wie „Der Elefant vom Potsdamer Platz“ gewinnt durch den schrammeligen New-Wave-Soundtrack an Spannung.

Seit das Video-Format seinen Siegeszug antrat, wurde Super 8 immer mehr in die Kunst-, Trickfilm- und Familienfestfilmerecke abgedrängt. „Technisch“, so Jürgen Lossau, Chefredakteur der Zeitschrift „schmalfilm“, „hat Super 8 enorme Vorteile: Man kann ohne viel Aufwand Einzelbildaufnahmen und Slow Motion machen.“ Trotzdem: Das Surren eines Super-8-Projektors ist zum exklusiven Erlebnis geworden. Eine Liebhaber-Obsession.

Dagie Brundert ist so eine Liebhaberin. Viele ihrer Kurzgeschichten dreht sie in ihrer Kreuzberger Wohnung: Zeitgeraffte, stimmungsvolle Bilder vom Bad zu zweit samt Schampus und Dips, sechs stopptrickanimierte Plastikastronauten, die ehrfürchtig vor einer sich auflösenden Alka-Seltzer-Tablette stehen bleiben. Brundert mag es, dass sie „den Film anfassen kann“, und sie mag den Look, „das Korn“. Sie schneidet selbst und entwickelt in einer so genannten „Russendose“, in die man den belichteten Film und giftige Chemikalien hineinwirft. Doch auch Brundert bearbeitet ihre Werke teilweise schon am Computer.

Die 37-jährige Wahlberlinerin Milena Gierke arbeitet seit Jahren mit Super 8. Die Dokumentar-Künstlerin dreht puritanische, schwarzweiße, immer tonlose Filme. Sie schneidet ausschließlich in der Kamera, projeziert sie in ruhiger Umgebung so, dass das Rattern des Projektors hörbar bleibt, „damit das Geräusch als Rhythmus mit einfließt“. Die Künstlerin nutzt ihre Kameras fast wie ein Tagebuch. Ein letztes Aufbegehren der analogen Welt? Vielleicht wird es Super 8 ja so lange geben, wie Menschen verkratzte Schellackplatten den sauberen Digitalmedien vorziehen. Also hoffentlich immer.

„Alle Macht der Super 8“ (Schmidt Productions). Vorstellung heute, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, 20 Uhr 30.

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