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Kultur: Elegie und Klassenkampf

Da kam ganz schön was zusammen für die Berliner Kabarettanstalt (BKA).Am blau-grauen Montagabend hatten die von ihrem Stammquartier am Kulturforum im Stadtteil Tiergarten Vertriebenen und ihre immer noch nicht auf den Schloßplatz in Mitte gelassenen Fans und Gläubiger zum Benefiz in die Akademie der Künste gebeten.

Da kam ganz schön was zusammen für die Berliner Kabarettanstalt (BKA).Am blau-grauen Montagabend hatten die von ihrem Stammquartier am Kulturforum im Stadtteil Tiergarten Vertriebenen und ihre immer noch nicht auf den Schloßplatz in Mitte gelassenen Fans und Gläubiger zum Benefiz in die Akademie der Künste gebeten.111 Menschen kamen, davon 10 BKA-Künstler und ein BKA-Kritiker.Während alle anderen den gebeutelten Kabarettisten Mut zum Weitermachen einhauchten, murrte der stellvertretende Chefredakteur des Stadtmagazins "Tip" Joachim Wacker ("Kupferdach") während der Podiumsdiskussion (sinngemäß): Hört auf zu jammern, macht Bankrott und fangt dann von vorne an.Vom Senat, der den BKAlern den durch die Vertreibung entstandenen Schaden durch Umzugshilfe erstatten soll, war offenbar niemand da.Nett abgesagt hatte hingegen Sissi Perlinger - krank - mit einem herzigen Soli-FAX, das verlesen wurde.

Beim Benefiz-Programm auf der großen Bühne gaben sich alle elegisch (vor allem "Tango Real" und Inna Slavskaja, Interpretin jiddischer Lieder) und ein bißchen klassenkämpferisch (Tim Fischer: "Du warst nicht nur reich, du hattest auch Geld").Aber Spaß gemacht hat es doch.Die Propagandamaschine funktionierte: Man sah, daß das BKA noch spielen (lassen) kann, und was fehlen würde, wenn es nicht mehr da wäre.

Die beiden drallen bekennenden Ruhrpöttler von "Tresenlesen" mögen das BKA, aber nicht die Berliner, am wenigsten die, "die man in Bochum miese Arschlöcher, und hier Berliner Originale nennt".Zum Glück kam auch Joseph Hader mit sautraurigen Bettnässergeschichten und seinen Nicht-Weiber-, sondern immer nur Scheidungsgeschichten und schlechten Träumen von Enkelkindern, die ihn mitten im Winter auf der Wiese mit seinem häßlichen Schneemann einfach stehen lassen.Danach konnte nur noch das Lied von der Todesangst kommen: daß sich in 50 Jahren niemand mehr an deine süßen Grübchen erinnert, schon gar, wenn die Enkel eh deine letzten Fotos aus dem Album reißen.Herzzerreißend! Vorher hatte Hader ganz arg lieb durch das Programm geführt.Niemand schnoddert so charmant wie dieser Schmäh-Pianist.Schon gar nicht Philipp Mosetter.Der ist dazu viel zu verklemmt.Er windet sich als hochdeutscher Intellektueller am Rednerpult.Der schreibt einer Zufallsbekanntschaft schon Abschiedsgedichte, bevor er sie auch nur angesprochen hat.Der redet sich so absurd um Kopf und Kragen da oben auf der Bühne, daß er bald nur noch fast schweigend an seinem Manuskript nesteln muß.

Aber den BKA-Machern ist angesichts ihrer Zukunft überhaupt nicht zum Lachen zumute.Wenigstens haben sie Zuspruch aus der Szene.Irene Mössinger, deren "Tempodrom" dem Kanzler im Weg ist und deshalb gleichfalls umgesiedelt werden soll, forderte den Senat auf, das BKA für die Räumung wenigstens zu entschädigen.Und Holger Klotzbach von der "Bar jeder Vernunft" analysierte trefflich auf dem Podium mit Blick auf den Kultursenator: "Radunski lobt die Off-Kultur, aber Euch will er den Bach runtergehen lassen".

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