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Schriftsteller Elias Canetti.

© Wikipedia/Dutch National Archives

Elias Canettis letztes „Buch gegen den Tod“: Als ob es ihn nicht gäbe

Es ist Elias Canettis letztes Werk, das er über Jahrzehnte vorbereitete: Im Hanser Verlag erscheint jetzt sein „Buch gegen den Tod“ mit bislang unveröffentlichtem Material aus dem Nachlass.

Elias Canetti ist tot. Der berühmte Schriftsteller ist 1994 verstorben. Neunundachtzigjährig immerhin. Ja und? Nun, das ist nicht so gewöhnlich, wie es scheint. Zeit seines Lebens hat er dagegen aufbegehrt, aus selbigem zu scheiden. Der Verfasser des unsterblichen Romans „Die Blendung“ plante sogar die Revolution gegen den Exitus. Wie das? Indem er über ein halbes Jahrhundert lang versuchte, das Unmögliche zu denken und die Utopie in Form von kurzen Aufzeichnungen und Aphorismen wenigstens zu formulieren. Im Hanser Verlag erscheint jetzt ein letztes Werk Canettis, das er über Jahrzehnte vorbereitet, an dem er seit Mitte des Zweiten Weltkrieges gearbeitet, für das es aber nie ein fertiges Konzept gegeben hat. „Es wird mir immer klarer, dass ich das Buch über den Tod nur schreiben kann, wenn ich ganz sicher bin, dass ich es zu meinen Lebzeiten nicht publiziere“, schrieb Canetti, der sich stets als „Todfeind“ bezeichnete, 1987. Aber: „Es soll da sein, oder wenigstens so viel davon da sein, dass es später publiziert werden kann.“

"Ich anerkenne nicht den Tod"

Jetzt ist es also so weit. „Das Buch gegen den Tod“ versammelt neben bereits gedruckten Aufzeichnungen (in früheren Bänden wie „Die Provinz des Menschen“ oder „Das Geheimherz der Uhr“) bislang unveröffentlichtes Material aus dem Nachlass. Es nimmt etwa zwei Drittel des Gesamtumfangs ein. Gleichwohl handelt es sich um eine von den Herausgebern sorgfältig und plausibel getroffene Auswahl, die hier in chronologischer Ordnung von 1942–1994 erscheint – so wie es sich Canetti vorgestellt hat.

„Ich anerkenne nicht den Tod“ lautet ein Bekenntnis, das er in seinem posthumen, mit einem klugen Nachwort von Peter von Matt erschienenen Buch formelhaft wiederholt. Natürlich war es dem „Masse-und-Macht“-Autor bewusst, dass man den Tod nicht einfach abschaffen kann. Er war kein Spinner, ihm ging es vielmehr um die Ächtung des Ablebens, darum, den Tod so darzustellen, „als ob es ihn nicht gäbe“. Todesapostel wie Nietzsche oder Thomas Bernhard verabscheut er respektvoll. Auch von Montaigne distanziert er sich naturgemäß, stammt von dem großen Skeptiker und Essayisten doch der Satz „Philosophieren heißt sterben lernen“.

Wie Emile Cioran, nur ohne Bitterkeit

Genau dagegen richtet sich Canetti, gibt sich radikal und lässt keinen Menschen gelten, der „heute als Atomphysiker oder -techniker arbeitet, der freiwillig eine militärische Laufbahn einschlägt; aber auch keinen Geistlichen, der ein künftiges Leben als Trost für den Tod andrer heranzieht.“ Nicht nur Selbstmörder, auch Mordopfer kritisiert er für ihren Abgang. Das alles erscheint zugespitzt, stilisiert. Ja, Canetti ist ein so fantastischer und messerscharfer Aphoristiker wie Emile Cioran, nur ohne dessen Bitterkeit: „Ich fürchte den Tod nicht, ich finde ihn überflüssig.“ Als Humanist Goethe’scher Prägung wagt er den Widerspruch.

Am Ende sind die Bemühungen so abwegig nicht. Denn auch 20 Jahre nach seinem Tod steht eines fest: Elias Canetti ist quicklebendig – jedenfalls in seinen Schriften.

Elias Canetti: Das Buch gegen den Tod. Hanser Verlag, München 2014. 352 Seiten, 24,90 €.

Tobias Schwartz

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