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Catherine Deneuve startet mit "Elle s'en va" in den Berlinale Wettbewerb. Einen Preis ist der Film wohl nicht wert.

© Berlinale

"Elle s'en va": Zigarette sich wer kann

Die Silver-Ager-Komödie "Elle s'en va" mit Catherine Deneuve startet in den Berlinale Wettbewerb. Einen Preis ist der Film wohl nicht wert. Für zwei Stunden Spaß ist er aber auf jeden Fall gut.

Catherine Deneuve ganz nah. Der französische Wettbewerbsfilm „Elle s’en va“ hält jede Pore ihrer zarten Haut in supernahen Großaufnahmen fest. Ihre Dunkelaugen lächeln königlich über den fahrigen Zauber, den die französische Regisseurin Emmanuelle Bercot der Kino- Ikone in ihrem 70. Lebensjahr auf den Leib geschrieben hat. Das Rätsel der Unnahbarkeit, das Catherine Deneuve in 115 Filmen unnachahmlich immer neu variiert hat, versucht Bercots Hommage mit besitzergreifender Verehrung einem Härtetest zu unterziehen.

Bettie, alias Deneuve, eine bretonische Restaurantbesitzerin kurz vor der Pleite, will vor dem stressigen Geschäft und der dominanten Mutter nur mal eben zum Zigarettenholen ausbüchsen. Doch in der strukturschwachen Gegend entwickelt sich ihre sonntägliche Suche nach der Alltagsdroge unversehens zur endlosen Flucht aus dem Alltag. Bettie versackt in einem Landhotel unter tätowierten Normalos, und bricht auf einen Anruf hin auf, um den elfjährigen aufgeweckten Enkel Charly (Némo Schiffman) abzuholen und ihn zu seinem Großvater zu bringen.

Unterwegs geht schief, was schiefgehen kann: die Frisur wird verregnet, Charly fordert ihre Langmut heraus und geht zwischenzeitlich verloren, die Tochter (furios unsympathisch: die Sängerin Camille) packt ihren Liebesanspruch an die Mutter keifend auf den Tisch, der Großpapa (Gérard Garouste), Vater von Charlys verloren gegangenem Vater, erweist sich zunächst als bärbeißiger Gastgeber, nicht zuletzt wird Betties Kreditkarte gesperrt. Mit jeder bizarren Reisetappe bis zum unvermeidlichen Happy End lernt die derangierte Dame das Abenteuer dennoch mehr genießen – einzig ein pittoresker Auftritt in einem Revival der regionalen französischen Schönheitsköniginnen von 1969 will ihr so gar nicht gelingen.

Ein überdeutlicher Streifzug durch den Zeitgeist ist „Elle s’en va“: Von der verbotenen Lust auf Zigaretten über Anspielungen auf die fatale Beziehungslast mit Uralt-Eltern, Patchwork-Familiennöte, Wirtschaftskrise, ungelebte Liebeswünsche – hier ist alles drin. Emmanuelle Bercot hat einen wilden Cocktail aus Roadmovie-Motiven, Silver-Ager-Komödie und Mutter-Tochter-Drama gemixt. Typisch französische Traumlandschaften spielen attraktive Nebenrollen, ebenso immer schon mal gesehene Küchenszenen und pittoreske Tafeleien im Garten.

Warum bei so vielen soliden Genre-Versatzstücken riskante Experimente eingehen?, mag sich die Regisseurin gefragt haben. Der Filmtitel wird so groß eingeblendet, dass man ihn ohne Brille unschwer lesen kann. Bis zum Schluss bleibt offen, ob die flotte Mischung aus neuen und alten Klischees eher kalt berechnend oder herzenswarm dem erwartbaren Publikum einer Alterskomödie schmeichelt. Aufdringlich (vergleichbar der Filmtochter von Bettie) ist der Inszenierungsstil des Films allemal. Auf Schritt und Tritt folgt die Handkamera Catherine Deneuve, präsentiert ihren fülliger gewordenen Rücken, ihre Hände und Füße en détail. Als ob es manischer Gegenbeweise zu dem im Film zitierten Alterssexismus bedürfe, dass ihre Körperlichkeit nur schön sei, weil sie an die Jugendschönheit der Miss Bretagne erinnere.

Wie sich die derangierte Granddame Deneuve den Zumutungen der Liebe ihrer Regisseurin mit Bravour entzieht, ihren Humor und ihre darstellerische Klasse auch in penetrant albernen Szenen beweist, das macht ihr so leicht allerdings keine nach. Ein Meisterstück, eines A-Filmfestivals würdig, ist „Elle s'en va“ nicht; ein forsch augenzwinkerndes Exploitation-Stück für zwei Stunden Spaß aber auf jeden Fall. Claudia Lenssen

16.2., 12 Uhr (Friedrichstadt-Palast) und 14.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele , 17.2., 17.45 Uhr (Berlinale-Palast)

Da fragt doch bei der Pressekonferenz zum Raucherfilm „Elle s’en va“ glatt eine Journalistin, ob Catherine Deneuve raucht. Die guckt verdutzt. Auch nach 40 Jahren in diesem Geschäft ist der Helmut Schmidt unter den Schauspielikonen Frankreichs noch zu überraschen. „Aber ja“, sagt sie, „eine ganze Menge sogar“. Na, das gibt jetzt Szenenapplaus. „Nur wird das in Europa ja immer schwieriger.“ Beifälliges Seufzen der Drogenkonsum und niedlichem Nonkonformismus traditionell zugeneigten Weltpresse. Nebenan sei für Deneuves etwaige Gelüste extra ein Feuerwehrmann postiert worden, spaßt der Moderator. Doch die souveräne Diva mit der sonoren Stimme winkt ab. Sitzt ja auch ein Kind neben Produzenten, Schauspielern, Kameramann Guillaume Schiffman und Regisseurin Emanuelle Bercot auf dem Podium: Nemo Schiffman, beider Sohn, der im Film talentiert Deneuves Enkel spielt. Bercot beteuert ein ums andere Mal, dass einzig die von ihr verehrte Catherine Deneuve der Grund für die Existenz des Films samt vieler Nahaufnahmen ihrer Haare ist. „Ich mag Haare, besonders die von Catherine Deneuve.“ Motive wie Altern und Mutter-Tochter-Konflikt hätten sich erst beim Entwickeln der Geschichte ergeben. Ihr selbst mache das Älterwerden durchaus was aus, sagt Deneuve und hebt das Kinn. „Das darf man aber nicht zur Obsession werden lassen.“ Gunda Bartels

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