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Der Krimischriftsteller Elmore Leonard im Jahr 2010

© AFP

Elmore Leonard ist tot: Viel Spaß mit dem Bösen

Die besten Typen sind die fiesen Typen: Zum Tod des großen amerikanischen Schriftstellers Elmore Leonard.

Mit dem ehrbaren Durchschnittsamerikaner, den „sogenannten normalen Typen“, konnte Elmore Leonard nie was anfangen - jedenfalls nicht in seinen Büchern. „Ihre Sprache ist nicht besonders reich und farbig, und einen Sound hat sie auch nicht“, gestand der Schriftsteller 1983 in einem Interview: „The bad guys are the fun guys.“ Womöglich ist das ein Grund dafür, dass der zu diesem Zeitpunkt schon fast 60-jährige Leonard mit seinen Western und später dann Romanen über Kleinkriminelle nur Eingeweihten ein Begriff war. Das gute Amerika wollte sich entweder identifizieren oder mehr fiesen Glamour, und der 1925 in New Orleans geborene Leonard rückte ihm auch zu nah auf den Pelz mit seinen bösen, in der Regel scheiternden Durchschnittstypen. Dazu kam, dass Hollywood zwar viele seiner Stoffe verfilmte, dieser aber immer aufhübschte und mit dem Tempo von Leonards Büchern und den eins zu eins aus dem Leben entnommenen Dialogen nichts anzufangen wusste.

Den auch kommerziellen Durchbruch schaffte der in Detroit lebende Autor erst 1985 mit „Glitz“, seinem 25. Roman. Darin treibt einer der finstersten, durchgeknalltesten Bösewichte Leonards in Puerto Rico und Atlantic City sein Unwesen, Teddy Magyck. Und der mordet nicht zuletzt deshalb, um den sich in Puerto Ricos Hauptstadt San Juan von einer Schussverletzung erholenden Polizisten Vincent Mora aus der Reserve zu locken und mit ihm eine alte Rechnung zu begleichen. Stephen King verglich „Glitz“ damals in der „New York Times“ mit dem Besten von Chandler und Hammett, und das Magazin „Newsweek“ widmete Leonard eine Titelgeschichte. Er selbst jedoch empfand erst die Mitte der neunziger Jahre erfolgte Verfilmung seines Romans „Get Shorty“ als den Beginn des ganz großen Ruhms. John Travolta spielt hier den kleinen, aber großmäuligen Ganoven Chili Palmer, der ausgerechnet in der Filmwelt groß rauskommen will, und Leonard registrierte mit Genugtuung die Liebe des Regisseurs Barry Sonnenfeld zu seinen Leonards Figuren und die annähernd exakte Wiedergabe seiner Dialoge.

Auch in Europa begann man zu diesem Zeitpunkt, Leonards Romane aus den Schmuddel-, und Heftchenecken herauszuholen, ihn in die Literaturabteilungen zu sortieren und neu übersetzen zu lassen. Weitere Verfilmungen folgten: Quentin Tarantino adaptierte „Jackie Brown“, einen Thriller, den der Regisseur angeblich im Alter von 15 Jahren in einem Supermarkt gestohlen hatte; und Steven Soderberg den Jack-Foley-Roman „Out of Sight“, der 1998 in Deutschland unter dem etwas dämlichen Titel „Zuckerschnute“ veröffentlicht wurde.

Zehn Regeln, an die er sich strikt halten sollte, hatte Leonard für sein Schreiben aufgestellt. Die erste lautete, niemals ein Buch mit dem Wetter zu beginnen, die zehnte, alle Passagen wegzulassen, die auch der Leser überspringen würde. Seine wichtigste Regel aber war, quasi als Summe dieser goldenen Zehn: Wenn es wie geschrieben klingt, schreibe ich es neu. Das galt vor allem für die viele, mit haufenweise Slangausdrücken angereicherte wörtliche Rede der Leonard-Figuren. Gerade diese macht das kunstvolle, durchaus schwer übersetzbare von Leonard-Romanen aus, sie gibt ihnen ihren ganz eigenen Klang und Rhythmus. Zudem orientierte er sich nie an einer herkömmlichen Krimihandlung mit Tätersuche etc., sondern vielmehr an der Entwicklung der Figuren.

Leonard hatte das Glück, dass seine Schaffenskraft im hohen Alter nicht nachließ. Seit 2009 erschienen von ihm die auch ins Deutsche übersetzten Romane „Road Dogs“ (wieder mit Jack Foley), „Dschibuti“ (über die Piraterie in Somalia) und „Raylan“ (ein Episodenroman). Nach einem Ende Juli erlittenen Schlaganfall ist Elmore Leonard jetzt am Dienstag im Alter von 87 Jahren in Detroit gestorben.

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