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Gezähmter Schrecken. Emil Nolde, „Maskenstillleben II“, 1911, Öl auf Leinwand.

© Nolde Stiftung Seebüll

Emil Nolde, der Sammler: Figuren und Abbilder

Emil Nolde war ein leidenschaftlicher Sammler - und vieles von dem, was er besaß, malte er auch. Das Nolde-Museum Berlin zeigt die enge Beziehung des Künstlers zu den Gegenständen, die er von Reisen mitbrachte.

Emil Nolde (1867–1956) verstand sich zeitlebens als Künstler-Handwerker. Der gelernte Bildhauer und Möbelschnitzer behielt eine enge Beziehung zu den Objekten. Er malte keine Gedanken, sondern fassbare Dinge. Aber er malte nicht einfach ab. Er teilte seine bildnerischen Vorstellungen in Objekten mit. Selbst wo er Geister oder Dämonen auf die Leinwand brachte, gab er ihnen eine dingliche Präsenz.

Auf der Suche nach un-„ver“-bildetem Gestalten mussten ihn die Objekte ferner Länder anziehen. „Mit dem Material in der Hand“, schrieb er 1912, übrigens noch bevor er selbst in die damals noch sehr weit entfernten Gebiete auf der anderen Seite der Erdkugel gereist war, „entstehen die Werke der Naturvölker. Das sich äußernde Wollen ist Lust und Liebe zum Bilden. Die absolute Ursprünglichkeit, der intensive, oft groteske Ausdruck von Kraft und Leben in allereinfachster Form ...“

Nolde sammelte Objekte aller Art, darunter Exotika, die er insbesondere von seiner Südseereise 1913/14 mitbrachte, aber auch einheimisches Kunstgewerbe. Er hegte durchaus keinen Dünkel, und den Sprachduktus über „Naturvölker“ muss der heutige Leser aus der damaligen Zeit des Kolonialismus heraus verstehen. Für Nolde wurde alles zum Ausgangsmaterial eigenen Schaffens. „Lust und Liebe zum Bilden“ beschreibt zuallererst seinen eigenen Antrieb.

In der Berliner Dependance der Nolde-Stiftung ist jetzt die Ausstellung „Emil Nolde. Die stille Welt der Dinge“ zu sehen, die 46 Objekte seiner eigenen, zehn Mal umfangreicheren Sammlung vorstellt und sie 85 Arbeiten in Öl, Aquarell und Zeichnung gegenüberstellt, auf denen diese und weitere Gegenstände aus eigenem Besitz auftauchen.

Am liebsten kombinierte Nolde Objekte mit Blumen, Totes mit Lebendigem. Im Berliner Völkerkundemuseum an der Prinz-Albrecht-Straße – das Gebäude ist erst nach dem Krieg abgerissen worden – hatte er zwei Winter lang gezeichnet. 120 Blätter sind erhalten, von denen 45 für spätere Gemälde Verwendung fanden. Damalige Völkerkundemuseen glichen eher überquellenden Depots; Nolde schrieb rückblickend von den „dort aufgestapelten Resten einer verschwindenden Urvolkskultur“. Dagegen protestierte er mit seinen Bildern. In ihnen gab er den toten Objekten Leben und Gegenwart zurück.

Das sind nun nicht die ganz großen Werke, die in der Berliner Ausstellung zu sehen sind, sondern eher Belege eines nimmermüden Schaffenstriebs. Amüsant ist, wie Nolde bisweilen die Größenverhältnisse ändert und etwa aus einem handtellerkleinen Figürchen eine bildfüllende Skulptur macht, weil das kleine Original so schöne Streifen aufweist. Japanisches, Afrikanisches, Balinesisches sieht er zusammen, eine Holzskulptur aus Melanesien vereint er mit einer – im Gemälde stark vergrößerten – Porzellangruppe des frühen 19. Jahrhunderts. Wichtig sind Nolde nicht so sehr die Objekte, sondern die Farben, „kalte“ und „warme“, wie er sie unterteilt. So gleichen seine Stillleben oft den bunten Geweben, die Ada Nolde um 1910 nach Entwürfen ihres Mannes fertigt.

Es ist eine heitere Ausstellung. Sie vermittelt die Freude am Haptischen der Objekte wie auch an deren Farbigkeit, wie sie Nolde empfunden haben mag. Nur in seinen Schriften scheint auf, was Nolde beim Malen gedacht hat: „Das Kolonisieren ist eine brutale Angelegenheit“, schrieb er rückblickend 1936, selbst von den Nazis verfolgt und mit Berufsverbot belegt: „Wir weißen Europäer sind das Unheil der farbigen Naturvölker.“ In seinem bildnerischen Schaffen fühlte er sich ihnen nahe verwandt.

Nolde Museum Berlin, Jägerstr. 55, bis 20. Oktober, tgl. 10–19 Uhr, 8/3 €. Begleitbuch „Puppen, Masken und Idole“ 26,90 €.

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