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Kultur: Ende der Legende: Uwe Mais Buch über Stalag III A Luckenwalde

Anfang des Jahres räumte eine viel beachtete Ausstellung im Kreismuseum von Luckenwalde mit jahrzehntelangen Legenden und Halbwahrheiten auf. Sie rankten sich um eines der größten Kriegsgefangenlager auf deutschem Boden zwischen 1939 und 1945, am Rande der 50 Kilometer südlich Berlins gelegenen Kleinstadt.

Anfang des Jahres räumte eine viel beachtete Ausstellung im Kreismuseum von Luckenwalde mit jahrzehntelangen Legenden und Halbwahrheiten auf. Sie rankten sich um eines der größten Kriegsgefangenlager auf deutschem Boden zwischen 1939 und 1945, am Rande der 50 Kilometer südlich Berlins gelegenen Kleinstadt. Nun liegt mit etwas Verspätung auch das erste umfangreiche Buch zu diesem sogenannten Stammlager Stalag III A vor. Dank dieser Arbeit des Berliner Historikers Uwe Mai dürfte nun kaum noch eine Frage zur Geschichte dieses Lagers unbeantwortet bleiben. Mit Akribie und einem offenbar unerschöpflichen Reservoir an deutschen und internationalen Quellen hat er viele Einzelheiten zu diesem nach wie vor geheimnisumwitterten Geschichtskapitel zusammengetragen.

In Luckenwalde liefen schon in den Augusttagen des Jahres 1939 die Bauarbeiten für das erste Lager für Gefangene des wenig später begonnenen Krieges. Diesem Musterbau sollten weitere fünf auf dem Gebiet des Deutschen Reiches folgen. Zwei Wochen nach dem Überfall auf Polen trafen die ersten Soldaten aus dem Nachbarland als Gefangene im Stalag III A ein. Bis zum Kriegsende durchliefen insgesamt 200 000 Menschen aus halb Europa das Luckenwalder Lager. Von hier aus wurden viele in Arbeitskommandos und Außenstellen im damaligen Regierungsbezirk Potsdam eingesetzt. Mindestens 5000 überlebten die Zeit nicht.

Zu DDR-Zeiten wurde über den großen Lagerfriedhof, wo in über 30 Massengräbern etwa 4000 sowjetische Gefangene und zahlreiche Polen und Serben ihre letzte Ruhe fanden, weitgehend geschwiegen. Mai erklärt dies mit Stalins berüchtigtem Befehl Nr. 270. Darin hatte der Diktator am 16. August 1941 Kriegsgefangenschaft mit Verrat gleichgesetzt. Die Soldaten waren nicht im Kampf gefallen und verdienten daher nach Stalins Lesart keine besondere Ehrung. Da verwundert es nicht, dass nach Kriegsende die sowjetischen Behörden Offiziere aus dem Luckenwalder Stalag in Gewahrsam nahmen, von denen einige in den Speziallagern des Geheimdienstes verstarben. Doch dies richtete sich wohl vor allem gegen Angehörige der Wlassow-Armee und anderer kollaborierender Einheiten, die in Luckenwalde und Umgebung aufgestellt worden waren. Die rund 500 Toten aus westeuropäischen Ländern lagen nur kurze Zeit auf dem Luckenwalder Lagerfriedhof. Sie wurden größtenteils schon nach dem Krieg exhumiert und in ihre Heimatländer gebracht.

Durch das jahrzehntelange Tabu hielten sich bis zuletzt viele Gerüchte um das Kriegsgefangenenlager Luckenwalde. Die Zahl der Toten wurde lange Zeit mit 45 000 angegeben. Örtliche Zeitungen sprachen in ihren spärlichen Nachrichten über das Stalag ab den Sechzigern nur von einem "Vernichtungslager". Auch andere Legenden wie die von der angeblichen Unterbringung von Stalins Sohn im Luckenwalder Lager zerstört der Autor.

In dem reich illustrierten Band widmet sich Uwe Mai auch einem besonderen Einsatz der Kriegsgefangenen: Die UFA ließ 500 farbige Kolonialsoldaten Frankreichs, Belgiens und Großbritanniens als Statisten im Film "Germanin" mitwirken. Sie kamen direkt aus dem Luckenwalder Lager.Uwe Mai: Kriegsgefangen in Brandenburg, Stalag III A in Luckenwalde 1939-1945, Metropol Verlag, Berlin 1999, 239 Seiten, 34 Mark

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