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Kultur: Endzeitlächeln an feurigen Kesseln

Wollten sie wirklich reden über ihre Arbeit, oder waren sie nur bestellt? Die Organisatoren des "Theaters der Welt" in Berlin meinten jedenfalls, man müsse sich über sieben Jahre neue Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz verständigen.

Wollten sie wirklich reden über ihre Arbeit, oder waren sie nur bestellt? Die Organisatoren des "Theaters der Welt" in Berlin meinten jedenfalls, man müsse sich über sieben Jahre neue Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz verständigen. Und so versammelten sich Theaterchef Frank Castorf und die Regisseure Christoph Marthaler, Johann Kresnik und Christoph Schlingensief zu später Stunde auf dem Podium im Sternfoyer des wuchtigen Hauses in trauter, vorher nie dagewesener Gemeinschaft. Die Rolle der Siegesgöttin, mit der Quadriga bedeutender Inszenatoren am Zügel, fiel dem geschätzten Kollegen Franz Wille vom Fachblatt "Theater heute" zu.

Der Moderator wollte Grundsätzliches, Gültiges, Überprüfbares, und wurde wie die Zuhörer im überfüllten Saal scheinbar unzureichend bedient. Streiten wollten sich die Regie-Rösser jedenfalls nicht. Aber wer zuzuhören verstand, bekam doch manches mit vom Geheimnis Theater. Am überzeugendsten gelang die Beschreibung des Aufbruchs an der Volksbühne zu Beginn der Neunziger unter Castorf und dem Dramaturgen Matthias Lilienthal. Und das war die Crux des Gesprächs. Denn des Intendanten fast sanfte Bemerkungen, daß man nicht ununterbrochen nur aufbrechen könne, daß im Lauf der Jahre auch Ermüdungserscheinungen und Routine zu beobachten sind, waren alles andere als "Altmännergeschwafel". Der bedächtige Castorf redet von fleißiger Arbeit, von einem Theater, das den Widerspruch braucht. Er ist nicht erfolgsgeschwellt, sondern nachdenklich "wahnsinnig viele Leute sind verglüht, gestorben, haben uns verlassen". Aber natürlich steckt in der Bemerkung, die Volksbühne befinde sich jetzt in einer restaurativen Phase, auch Ironie, geschickt verborgener Kampfgeist. "Ich weiß nicht, wie viel Kraft wir noch haben."

Von unverbrauchter Kraft wollten die Zuhörer offenbar mehr spüren. Christoph Schlingensiefs dunkle Ausführungen über Terrorismus und Sozialdemokratie halfen da nicht viel weiter, eher schon die hübsche Formulierung vom "trojanischen Endzeitlächeln" des Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Aber derlei nett Provozierendes des poltischen Agitationskünstlers kennt man zu Genüge. Christoph Marthaler und Johann Kresnik wußten da Grundsätzlicheres, Durchdachtes, Erlebtes beizusteuern, auch in ihrer Art, die Eigentümlichkeit des geteilten und dann wieder vereinten Berlin zu charakterisieren. Der vorher für keine feste Bühne zu gewinnende Regisseur Marthaler und musikalische Magier erlebte das "Brennen" im ganzen Hause und machte es zum Impuls seiner Arbeit am Rosa-Luxemburg-Platz.

Für Johann Kresnik war die Möglichkeit, an der Volksbühne zu arbeiten, "fast eine Erlösung". Er beschrieb eine gelungene Flucht in den Osten, einen Glücksfall für ihn und sein Ensemble. Die deutsche Wiedervereinigung, die im Westen der Bundesrepublik überhaupt kein Thema sei und nicht wahrgenommen werde, habe in Wahrheit an der Volksbühne stattgefunden. Als Voraussetzung dafür bezeichnete Kresnik die an diesem Theater herrschende Freiheit, die Möglichkeit für jeden, und nicht nur für die Künstler, sich unverblümt offen zu äußern. Und diese Tatsache erklärte wohl auch die Gemeinsamkeit der so heterogenen vier Theatermacher auf dem Podium.

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