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Engel waren in der Kunst schon immer Thema. Wie hier in "Der Engel weckt den Propheten Elias in der Wüste" des Künstlers Juan Antonio Escalante aus dem 17. Jahrhundert 

© Sophia Kembowski / dpa

Engelszungen (2): Unschuld, schwarz gefiedert

Ob als Jahresendfigur, Hosianna-Sänger, Himmelsbote oder Kitschgestalt: Die geflügelten Gesandten sind omnipräsent. Zeit für ein paar Gedanken über Wesen und Wirken der Engel – noch bis Silvester.

Albrecht Dürer war schon ein Star, als er 1520 in Köln zwei Pfennige bezahlte, um sich ein Altarbild „aufsperren“ zu lassen, das fast hundert Jahre alt war. Man kann nur hoffen, dass der Künstler in seiner Begeisterung für das dreiteilige Meisterwerk von Stephan Lochner auch einen Blick für die Außenseiten des Klappgemäldes übrig hatte. Andernfalls ist ihm damals einer der schönsten Engel der Kunstgeschichte entgangen. Lochner ließ den Himmelsboten mehr strahlen als Maria, der er die frohe Botschaft ihrer Empfängnis verkündet.

Das ausgesprochen irdisch wirkende Wesen trägt einen roten Umhang, eine schwere goldene Mantelschließe – und imposante Flügel. Das Licht im Raum bescheint den Engel und seine schneeweißen Federn von vorn. Die Rückseite der Flügel wirkt dagegen schwarz. Als hätte der Maler geahnt, dass manche Engel nicht ewig Gottes fröhliche Boten sein wollen, sondern auch einmal böse. Tatsächlich gab es ihn schon: den (vom Glauben ab-)gefallenen Engel, bestraft durch einen biblischen Höllensturz, wie ihn Pieter Bruegel der Ältere im Jahr 1562 malend festgehalten hat. Die Abtrünnigen sind schon zu albtraumhaften Monstern mutiert, die von den guten Flügelwesen aus dem Paradies gehauen werden.

In der aktuellen Kunst spielt der Engel kaum noch eine Rolle

Beide Vertreter bevölkern die Kunstgeschichte, seitdem Maler den Engel zu ihrem Motiv gemacht haben. Hier die überirdische Schönheit, in der sich das reine Innere spiegelt. Dort die dunkle, dämonische Macht – vielleicht ein Grund, weshalb Darth Vader als Zeichen seiner Verbundenheit zwar keine Flügel, aber einen wehenden Umhang trägt. Die Bösen dürfen ihre Flügel behalten, aber das Aussehen verändert sich und nimmt wie in den Motiven von A. Paul Weber das Aussehen von Fledermaushaut an.

Als Antagonisten sind die guten und die gefallenen Engel durch alle Epochen bis fast in die Gegenwart geflogen. Bloß in der aktuellen Kunst spielt der Engel als Gottgesandter kaum noch eine Rolle. Schon die Romantik hatte im ausgehenden 18. Jahrhundert einen schwarzen Zweig. Dabei hadern deren Engel oft mit dem Unheil, das sie anrichten. Dass sie sich überhaupt für das Böse entscheiden können, ist der christlichen Deutung nach ein Geschenk, so absurd das klingt. Aber offenbar zwingt Gott nicht einmal seine engsten Mitarbeiter zum Gutsein, sondern macht es zur Gewissensfrage. Und weil ihm als Allwissendem die Folgen seiner Entscheidung zur Freiheit klar waren, erlaubt er jedem die reuige Rückkehr. Wenn das keine gute Nachricht ist! Gerade, wenn man in Bruegels monstermäßige Grube geschaut hat. Da möchte man wirklich nicht landen.

Bisher erschienen: Diesen Medien glaubt man (24. 12.)

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