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Erika Stucky in Berlin: Die Lizenz zum Jodeln

Anlässlich des Schweizer Nationalfeiertages lud das Minifestival "Schweizgenössisch" die Berliner zu alpinen Klängen ins Radialsystem. Musikerin Erika Stucky kombiniert sie mit Elementen des amerikanischen Pop.

Erika Stucky ist fein raus. Die Musikerin hat gleich zwei Heimaten, wo sich der zersplitterte modernde Mensch meist schon schwertut, wenigstens eine zu finden. Und die von Stucky – alpiner Naturton und amerikanischer Pop – klingen auch noch aufregend, findet das entzückte Publikums beim ausverkauften dritten Minifestival „Schweizgenössisch“ am Vorabend des Schweizer Nationalfeiertags.

„You payed for yodels, you get yodels“, ruft die in Berlin von Jazzfesten und Theatertreffen gut bekannte Sängerin, Jodlerin und Performance-Künstlerin ins Radialsystem und kommt dabei so unverschämt amerikanisch rüber, wie es nur ein Schweizer Naturkind kann. Ihre in Kalifornien und dem Oberwallis erworbenen Kindheitsmuster hat Stucky vor Jahren zum künstlerischen Programm gemacht und atmet sie seither als geniale Botschafterin einer wilden neuen, aber auch archaischen alten Schweiz in der ganzen Welt wieder aus.

Und dass seufzend, brabbelnd, stampfend, grunzend, quäkend, spaßend, jutzend und singend. Ihr strahlender Alt kann alles: Nancy Sinatra oder Bob Dylan covern – wie auf ihrem letzten Album „Suicidal Yodels“ – innige Schweizer Zäuerlis über Bergeshöhen schicken oder staubige Cowboy-Yodels über die Prairie. Nur verplaudert sich Stucky vor einer Leinwand mit ihren Super-8-Filmen sitzend, hier und da ein bisschen. Sie mag die alten, nicht touristisch geglätteten, disharmonischen Traditionsjutzer der Älpler, weil sie wehtun, weil sie einem noch Tage nachgehen. Swiss Blues nennt sie sie. Diesmal jedoch verliert sie sich beim Erzählen von Schweiz-Anekdoten ans Gelächter. Ihre grandiose Geisteraustreibung zum Einzug mit einem scheppernden Schneeschieber als Voodoo-Instrument und dem Klangbild eines verrückten Almauftriebs bleibt der stärkste Moment.

Zur ganzen Abgrundtiefe des Naturtons finden im berglosen Berlin auch die Klangdramen von „Hornroh“ nicht. Das virtuose Alphornquartett aus Basel um den Kopf- und Mundarbeiter Balthasar Streiff, der mit dem Vokalartisten Christian Zehnder auch das Duo Stimmhorn bildet, zeigt, wie ein Volksmusikinstrument jazzig oder experimentell gespielt werden kann. Stark rhythmisiert und kurz angeblasen haben diese urbanen Horndialoge kaum noch etwas mit den verkitschen elegischen Klangbögen des Klischee-Alphorns zu tun. Schade eigentlich, aber interessant.

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