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Kultur: Erinnerungen an die Gegenwart Luca Pignatelli in der Galerie Davide Di Maggio – Mudimadue

Zeitgenössische Kunst aus Italien blieb in Berliner Galerien lange terra incognita. Mit „Pari & Dispari project" eröffnete 2001 die erste italienische Galerie in der Linienstraße.

Zeitgenössische Kunst aus Italien blieb in Berliner Galerien lange terra incognita. Mit „Pari & Dispari project" eröffnete 2001 die erste italienische Galerie in der Linienstraße. In unmittelbarer Nachbarschaft bezog dann die „A&O Galerie + Canaviello“ aus Mailand in einem Hinterhof-Glaspavillon ihr Domizil. Nun eröffnete mit „Davide Di Maggio – Mudimadue“ die dritte italienische Galeriedependance in Berlin-Mitte.

Davide Di Maggio, Leiter der Fondazione Mudima, gründete seine Mailänder Galerie 1990. Neben dem Schwerpunkt zeitgenössischer Malerei und Installation zeigte er Ausstellungen von Yoko Ono, Nam June Paik, Daniel Spoerri oder Jean-Michel Basquiat. Im Jahr 2000 startete er sein Austauschprogramm aktueller Kunst zwischen Berlin und Mailand. Die Gruppenausstellung „Malkunst“ zeigte Gemälde aus Berliner Ateliers, unter anderem von Franz Ackermann, Anton Henning, Michel Majerus, Antje Majewski, Carsten Nicolai und Neo Rauch. Es folgten Einzelausstellungen von Valerie Favre und Helge Homs. Im Gegenzug bringt die Galerie nun seit Juni jüngere, in Italien bereits erfolgreiche Künstler nach Berlin, die es in Deutschland erst noch zu entdecken gilt.

Ein Paradebeispiel für das Phänomen der Arte Italiana ist Luca Pignatelli. Der vierzigjährige Maler aus Mailand erntet als Vertreter der jüngeren Generation neuer Figuration in Italien Erfolge und stellte bereits in New York und Tokio aus. Doch in Deutschland ist es seine erste Soloausstellung. Pignatelli hält es mit Kierkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“. Er betreibt Ausgrabungen in der Industriearchäologie und entdeckt Fossile der Verkehrs- und Transportgeschichte des 20. Jahrhunderts, aber auch Kriegsmaschinerien als zentrale Bildelemente: alte Lokomotiven, Flugzeuge, Tanker oder Lastwagen.

Als Malgrund dienen ihm Abdeckplanen für Eisenbahnwaggons aus fleckiger Jute, mit Nähten, Flicken und Abnutzungsspuren, die noch ihre Transportnummern tragen. Nicht nur in Material und düsterer Farbigkeit erinnern die Bilder an Arbeiten der Arte Povera. Gleich am Eingang hängt die wandbeherrschende Arbeit „Treno“ (30 000 Euro). Erdiges Braun bestimmt nahezu alle Bilder. Eine Farbigkeit, die mit ihren Sepiatönen an alte Daguerrotypien, an stockfleckige Fotografien in vergilbten Alben erinnert. Ausnahmsweise hellt hier silbriger Aluminiumstaub im Hintergrund die Düsternis um das Dampflock-Ungetüm zum Teil auf. Trotz des Anflugs von Aufbruchstimmung: Die Reise des wie substanzlosen, schattenhaften Geisterzuges beginnt im Nichts und endet im Nirgendwo. Schneeflocken tanzen bei Pignatelli als aufcollagierte Flickenflecken auf der Waldszenerie, die wie ein Vorhang von der Gewölbedecke im Keller hängt. Mit seiner Malerei zelebriert Pignatelli im Kurzschluss von Raum und Zeit die Archäologie einer unvollendeten Vergangenheit und brüchigen Gegenwart, die ihre Schatten voraus auf eine ungewisse Zukunft wirft. Elfi Kreis

Galerie Davide Di Maggio-Mudimadue, Torstraße 138 D, bis 10. August und 2. bis 16. September; Dienstag bis Sonnabend 11-20 Uhr.

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