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Kultur: Erinnerungen, laut gesungen

CHANSON

Ob sie als Garçonnes mit Tweedjacke, Schiebermütze und „Chuzpe“ auf der Bühne umhertollen oder in rotem Brokatanzug und Glitzerkleid Glamour inszenieren: Am Ende reißen Sharon Brauner und Vivian Kanner, die Jewels , ihr Publikum in der Bar jeder Vernunft hin (wieder am 10., 11., 13. und14.1.). Die beiden Sängerinnen, Kanner mit dunkel-warmem Timbre, Brauner mit hell-klarer Brillanz, überführen jiddische Lieder vom Schtetl in die moderne Welt.

Die beiden verändern unter der Regie der Chansonsängerin Cora Frost lieber die Tradition, als sie nur zu bewahren. Ob in „Greene Kusine“, „Di Mame is gegange“ oder „Bei mir bist schein“: In der Interpretation der „Jewels“ werden die traditionellen Lieder zur Weltmusik, mit Anklängen an Rock und Blues, Swing und Jazz. Mehr Broadway also als Klezmer – so ist die Band nicht mit Klarinetten und Geigen, sondern mit Gitarre und Klavier besetzt. Es groovt und swingt, und doch ist da bald auch eine Gleichförmigkeit, die ermüdet: der Sound der Band allzu satt, Brauners Stimme allzu glockenhell. Etwas weniger Showtime hätte es auch getan.

Umso mehr, als die routinierte Performance etwas unvermittelt auf das angerufene Vergangene stößt. Da sind die alten Fotografien – eine enge Gasse, ein paar Häuser mit Strohdach – auf den Bühnenhintergrund projiziert. Es war ein einfaches, uninszeniertes Leben, sagen die Bilder. Das allein mag ein Missverständnis sein. Dass aber eine Inszenierung an Tiefe gewinnt, indem sie ein vermeintlich authentischeres Damals anruft, ist ganz sicher eines.

Der Abend hat immer dann, wenn Vivian Kanner die Gefälligkeit mit rauheren Tönen durchbricht oder Klavier und Gitarre im Solo das rhythmisch-harmonische Begleitkontinuum verlassen, seine stärksten Momente.

Katrin Kruse

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