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Ein Blick in das Foyer des neuen Museums, einem ehemaligen Getreidespeicher im Hafen Kapstadts.

© Iwan Baan

Eröffnung des MoCAA in Kapstadt: Speicher der Erinnerung

Das erste Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst eröffnet in Kapstadt.

Der Millionär und der Kurator. Gemeinsam reisten sie auf die Biennalen von Venedig zum Kunstkauf im großen Stil. Jochen Zeitz und Mark Coetzee: Für ein Duo dieser Größenordnung reihen sich die Länderpavillons in den Giardini wie Boutiquen aneinander. 2013 erwarb Zeitz gleich die ganze Installation im Pavillon von Angola, der mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden war. Passt das nicht gut zu den privaten Yachten der Oligarchen am venezianischen Kai, die längst zum Symbol der Anziehungskraft aktueller Kunst geworden sind? Sie stehen für Geldvermehrung plus Distinktion.

Doch so einfach lässt sich die nun fast ein Jahrzehnt währende Liaison zwischen Zeitz und den Videoinstallationen von Isaac Julien, der Malerei von Ghada Amer oder Marlene Dumas und den schwebenden Kleidern der südafrikanischen Künstlerin Nandipha Mntambo nicht erklären. Der einstige CEO der Sportmarke Puma, in den neunziger Jahren der bestbezahlte deutsche Manager, hat eine Aufgabe. Keine Mission. Mit diesem Wort sitzt man sofort in der Sprachfalle: Es klingt nach Missionierung, und das ist eine riskante Assoziationen auf einem Kontinent, den die Europäer bis weit in das 20. Jahrhundert für ihre Interessen kolonialisiert haben. So gab es anfangs auch kritische Stimmen, als publik wurde, dass Jochen Zeitz als Weißer in Kapstadt ein neues Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst plant: das MoCAA.

Kunstmuseum plus Designhotel

Jetzt eröffnet die erste Institution ihrer Art in Afrika. In bester Lage an der Waterfront, Kapstadts Touristenmeile, und in einem spektakulären Gebäude, das allein schon eine Reise rechtfertigt. Ein Teil des Daches fungiert als Skulpturengarten, unter der anderen Hälfte liegen die 24 Zimmer des luxuriösen Designhotels „Silo“. Seit 1920 steht der monumentale Getreidespeicher am Hafen. Eine funktionale Architektur aus 42 Betonröhren, in denen Mais zum Export lagerte. Mit dem Ende der Apartheid 1991 wurde er stillgelegt. Was mit dem weithin sichtbaren Zeichen für die Ausbeutung der schwarzen Bevölkerung geschehen sollte, war lange unklar. Zeitz wiederum hat sich intensiv umgeschaut, in Städten wie Johannesburg und Nairobi. Manches war ihm zu unsicher, anderes touristisch nicht ausreichend erschlossen. Denn das MoCAA ist ein ambitioniertes Projekt. Es soll jährlich rund eine Million Besucher anziehen: Touristen und Einheimische. Letztere zahlen an einem Tag der Woche keinen Eintritt, Jugendliche überhaupt nicht. Das Haus, seine 10 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, füllt der Manager aus Mannheim mit seiner über tausend Arbeiten umfassenden Privatsammlung als Dauerleihgabe auf Lebenszeit.

Die Video-Installation "Ten Thousand Waves" des britischen Künstlers Isaac Julien.
Die Video-Installation "Ten Thousand Waves" des britischen Künstlers Isaac Julien.

© MoCAA

Dafür hat er in den vergangenen Jahren viel Geld ausgegeben. Genaue Summen kann oder will er nicht nennen. Bloß dass er die inhaltliche Auswahl dem weißen, aus Südafrika stammenden Kurator Mark Coetzee überlassen hat. Deshalb, sagt Zeitz, sei es auch sinnlos, ihn nach seinem bevorzugten Künstler, gar einem Lieblingswerk zu fragen. Er wisse gar nicht, was er alles besitze, sondern trage zusammen, was wichtig für den Kontinent sei. „Afrika braucht sein eigenes Narrativ, denn Afrika hat seine eigene Geschichte“, sagt er und kritisiert jene globalen Tendenzen der Museen, alles aus allen Gegenden zu sammeln. „Jeder Teil der Welt sollte seine Institutionen haben, um den eigenen Dialog zu führen und die Wahrnehmung anderer auf ihn zu schärfen.“

Kein Mäzen, sondern ein Entrepreneur

Zeitz, der seit Jahren eine Farm in Kenia nachhaltig bewirtschaftet, übernimmt auch die Betriebskosten des MoCAA und finanziert ein breites pädagogisches Programm. Das soll nicht immer so bleiben. Zeitz als Alleinunterhalter ist ein Programm auf Zeit. Er sieht sich als Motor, der ein Projekt vorantreibt und Dialoge ermöglicht. So lange, bis andere aus Überzeugung mitmachen. Der südafrikanische Künstler Roger Ballen etwa hat mit einer Spende die Abteilung für Fotografie unterstützt.

Als Mäzen empfindet Zeitz sich dennoch nicht, das Wort findet er „altmodisch“. Eher als Entrepreneur. Sein Mehrwert aber, den er aus dem Engagement gewinnt, ist längst ideeller Natur. Mit dem Briten Thomas Heatherwick haben er und der Immobilienentwickler des Hafenareals den perfekten Architekten für die Umgestaltung des alten Silos gefunden. Heatherwick ließ die mächtigen Röhren im Innern aufwendig verstärken und so viel herausschneiden, dass ein nahezu sakraler Raum entstanden ist. Die abstrahierte Silhouette eines Maiskorns, die sich ebenfalls im Raum verbirgt, entdeckt man nur allmählich. Dahinter stapeln sich an die sechzig Raumboxen unterschiedlicher Größe – klassische white cubes, in denen nun (Bruch-)Teile der Sammlung gezeigt werden.

Eine Plattform für afrikanische Künstler

Es gibt widerständige Installationen wie die an Fäden hängenden Backsteine von Kendell Geers, durch die man sich nur mit Mühe bewegen kann. Wer sie in Schwingungen versetzt, handelt sich durchaus blaue Flecken ein. Viel Fotografie ist zu sehen, etwa von Kudzanai Chiurai, Mohau Modisakeng oder Cyrus Kabiru, den seine Galerie einen führenden Vertreter des „Afrofuturismus“ nennt. Dass seine Selbstporträts mit auffälligem Augenschmuck auch nebenan im Foyer des Hotels  hängen, soll eine Verbindung stiften zwischen dem noblen „Silo“ und dem Museum, in das die Gäste direkt gelangen können. Es zeigt aber auch die gefährliche Nähe mancher Werke zum Design. Eine Schnittmenge, die es beim schwermütigen Geschichtenerzähler William Kentridge oder dem Fotografen Rashid Johnson als einem Vertreter der sogenannten conceptual post black art nicht gibt.

Johnson wurde 1977 in Chicago geboren, er hat dort studiert. Coetzees Entscheidung für das Werk dokumentiert, dass die Künstler nicht auf dem Kontinent beheimatet, sondern mit seinen virulenten Themen vertraut sein müssen. Jochen Zeitz gibt das Geld, die Plattform, er unterhält ein großes, junges Team von Kuratoren, die die Arbeit vor Ort übernehmen. Der Visionär zieht sich mit der Eröffnung ein Stück zurück, kauft jedoch weiter und geht mit seiner Stiftung eine „lebenslange Verpflichtung“ ein.

MoCAA, Silo District, Waterfront, Kapstadt. Weitere Informationen: https://zeitzmocaa.museum

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