zum Hauptinhalt

Kultur: Eros war eine Flasche

Die Welt des Parfums: Eine Ausstellung in Hamburg über die Kunst des Riechens und Gerochenwerdens

Irgendwann erliegt man doch der Versuchung. Hunderte von Flakons, Anzeigen und Werbespots flüstern einem zu: Kauf mich, dann wird es dir besser gehen! Und für jeden ist etwas dabei: der homoerotische Anzeigen-Matrose von Gaultier, die klassischen Imagekampagnen von Chanel, die jungen, sympathischen Amerikaner der Tommy Hilfiger-Werbung, die in rotes Licht getauchten, lüsternen Frauen von Gucci. Ein Gang durch die Parfum- Ausstellung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe ist ein Gang durch die Geschichte der Werbung und des Designs. Historische und zeitgenössische Flakons und Verpackungen, die Arbeiten des Art Déco-Glaskünstlers René Lalique etwa oder Flakons von Chanel und Guerlain aus den zwanziger Jahren bis hin zum legendären „Opium“-Flakon für Yves Saint Laurent: Design und Re- Design sind aufwändig hinter Glas inszeniert und illuminiert. Auch die Werbefotografie hat mit Herb Ritts oder Irving Penn ihren großen Auftritt, um noch einmal daran zu erinnern, dass die Grenzen zwischen Kunst und Werbung längst aufgehoben sind.

Die klassisch-schwarzweißen Auftragsarbeiten von Bruce Weber oder Richard Avedon, entstanden für Kampagnen von Calvin Klein, unterscheiden sich kaum von den als Kunstwerke und Reportagen konzipierten Bildern der Fotografen. Eine Fotoserie von Jean-Baptiste Mondino für Gaultier aus dem Jahr 1999 zitiert den surrealistischen Fotografen Man Ray. Und die Schauspielerin Scarlet Johansson, bekannt aus „Lost in Translation“ und „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, war sich nicht zu schade, für Calvin Klein einen Parfum-Werbespot zu drehen. Wie überhaupt Hollywood-Größen sich von jeher am besten für die Verschwisterung von Aura und Geruch eigneten.

So entdeckt man in der museal aufbereiteten Inszenierung der Glitzerwelt von Models, edlen Interieurs, exzentrischen Haarschnitten und teuren Kleidern erfreut die Düfte, die man vor 15 Jahren so irrsinnig gerne roch, wie etwa Cacharels „Loulou“, und nie wieder vergessen hat. Schon seltsam, das ganze Getue um diese ölige Flüssigkeit, die in Alkohol aufgelöst und eingetönt wird und die Menschen wie ein ephemerer Schirm umgibt, ihnen eine zweite Gestalt verleiht.

Parfumdesigner, die ja meistens auch Modedesigner sind (die Verbindung von Duft und Haute Couture ist seit Chanels „No.5“ aus dem Jahr 1921 unumkehrbar) erzählen in Interviews gerne, dass der schönste Geruch doch der einfache Duft ihrer Kindheit sei: die Seife der Mutter, der Rasierschaum des Vaters. Da stellt sich die Frage, warum wir Parfum überhaupt brauchen. Im amerikanischen Sexbuch-Klassiker „Joy Of Sex“ steht schon auf einer der ersten Seiten: Männer, die sich auf ihren eigenen Duft verlassen, haben bessere Chancen bei Frauen.

Da war der anonyme Töpfer, der vor etwa 2000 Jahren einem Salbölgefäß die Konturen des Gottes Eros gab, offenbar anderer Meinung: Düfte verzaubern, lassen ihre Träger sinnlicher erscheinen. Man glaubt es bis heute. Doch wissen wir auch: Zu viel ist manchmal einfach zu viel. Die Hamburger Ausstellung ist ein gehöriger Angriff auf den Geruchssinn. Vor allem der „Duftraum“ mit zehn Hochleistungsduftspendern – das große Finale der Schau – erzeugt eher Schwindel- als Verführergefühle.

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Steintorplatz, bis 24. April. Katalog 39,95 €. Führungen, Vorträge und Duftseminare: Infos unter www.mkg-hamburg.de

Marc Peschke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false