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Kultur: Erziehung heute: "Die Erwachsenen dürfen nicht verwahrlosen" - Pädagoge Dieter Lenzen über Möglichkeiten der Erziehung

Dieter Lenzen ist Erziehungswissenschaftler und erster Vizepräsident der Freien Universität Berlin. Er ist Vater dreier Kinder.

Dieter Lenzen ist Erziehungswissenschaftler und erster Vizepräsident der Freien Universität Berlin. Er ist Vater dreier Kinder.

Den Kindern in Deutschland sollten wieder mehr traditionelle Werte vermittelt werden, fordert Doris Schröder-Köpf. "Wir müssen unsere Kinder wieder mehr erziehen", sagt sie. Werden die Kinder zu wenig erzogen?

Das Problem ist, dass jeder glaubt, sich zum Thema Erziehung äußern zu können, weil er mal Kind war oder ein Kind hat. Das finde ich befremdlich. Das Thema Moralerziehung, das Frau Schröder-Köpf wählt, ist ursprünglich ein hart konservatives bis reaktionäres Argumentationsmuster gewesen. Es gab in den 70er Jahren am rechten politischen Rand das Forum "Mut zur Erziehung", das die gleiche Argumentation benutzte. Jetzt kann man sich fragen: Wieso kommt das jetzt an einer anderen Stelle wieder heraus? Das liegt in diesem Fall daran, dass das Verhalten der nachwachsenden Generation - von Rechtsradikalismus bis zu schlechtem Benehmen - uns nicht gefällt.

Wie werden denn Kinder zu dem, was sie werden, wenn sie nicht erzogen werden?

Sozialisationsprozesse sind sehr stark vom Vorbildverhalten abhängig. Kinder und Jugendliche neigen dazu abzubilden, was sie in ihrer Umgebung wahrnehmen - entweder, indem sie sich davon absetzen, oder indem sie es kopieren. Deswegen ist es zunächst oft ein ganz normales Absetzungsphänomen, wenn die Kinder sich nicht so verhalten, wie Eltern es erwarten. Wenn Frau Schröder-Köpf sagt, die Kinder sollen sich besser benehmen, ist die Frage, ob das schlechte Benehmen ein Absetzungs- oder ein Kopierphänomen ist. Und wenn es ein Kopierphänomen ist, dann müssen die Erwachsenen sich fragen, wieso sie sich nicht so verhalten, wie sie es von den Kindern erwarten. Das Verwahrlosungsargument, das hinter Schröder-Köpfs Worten steht, hängt mit der Verwahrlosung großer Teile der Erwachsenenwelt zusammen.

Kann nicht dennoch eine strengere Erziehung dem etwas entgegensetzen?

Familie und Schule sind in einer schwierigen Lage. Wir haben als Folge der Liberalisierung der vergangenen 30, 40 Jahre sowohl den Eltern als auch der Schule sämtliche Sanktionsinstrumente aus der Hand geschlagen. Das ist ja auch ein richtiger Weg. Aber dann muss man sich fragen, welchen Weg es noch gibt, damit die Kinder sich benehmen wie die Eltern es gerne möchten. Und da ist außer dem positiven Selbstverhalten der Erwachsenen nicht viel zu machen.

Wo und wie sollte man als Eltern dennoch Grenzen setzen?

Das ist sehr individuell von den Kindern und Eltern abhängig. Das Kind muss im konkreten Fall erleben, dass es in der Beziehung zu mir ein Problem gibt: Dass es mir zum Beispiel wehtut, wenn es ununterbrochen herumlärmt.

Mal ganz konkret: Wie vermitteln Sie Ihren Kindern zum Beispiel bei materiellen Wünschen, wo die Grenze ist?

Ich habe meinen Kindern so ab dem Alter von sieben bis acht Jahren gesagt: Woher bekomme ich Geld? Indem ich arbeite. Also wenn Du arbeitest, bekommst Du auch Geld über das reguläre Taschengeld hinaus. Zum Beispiel gibt es bei uns einen festen Tarif für Rasenmähen. So erfahren Kinder, dass Geld schwer erworben werden muss. Und dann überlegen die sich sehr gut, ob sie wirklich 500 Mark für ein Handy ausgeben wollen.

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