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Kultur: Es gibt keinen Grund, sich hier zu fürchten

Wenn er nicht gestorben wäre: Eine Art Musical-Uraufführung in WienWolfgang Kralicek Wäre Falco leibhaftig auferstanden von den Toten, hätte das Interesse nicht größer sein können: "Ganz Wien" drängelte sich in und um das Wiener Ronacher, um "Falco - A Cyber Show" zu bestaunen. Das neue Projekt von Paulus Manker (Regie) und Joshua Sobol (Buch) war von zwei Personenkreisen mit Spannung erwartet worden: Falco-Fans hofften auf ein virtuelles Comeback-Konzert, Theater-Fans auf eine innovative, Genre-Grenzen sprengende Inszenierung.

Wenn er nicht gestorben wäre: Eine Art Musical-Uraufführung in WienWolfgang Kralicek

Wäre Falco leibhaftig auferstanden von den Toten, hätte das Interesse nicht größer sein können: "Ganz Wien" drängelte sich in und um das Wiener Ronacher, um "Falco - A Cyber Show" zu bestaunen. Das neue Projekt von Paulus Manker (Regie) und Joshua Sobol (Buch) war von zwei Personenkreisen mit Spannung erwartet worden: Falco-Fans hofften auf ein virtuelles Comeback-Konzert, Theater-Fans auf eine innovative, Genre-Grenzen sprengende Inszenierung. Nur die Musical-Fans hatten Grund, dem Ereignis skeptisch entgegenzublicken: Regisseur Manker hatte vorab betont, dass es sich bei "Falco" nicht um ein Musical handelt.

Ohne solche Vorausberichterstattung hätte der Premierenbesucher vieles gar nicht verstanden. Von Sobols Skript ist kaum etwas übrig geblieben. Dass sich der Musiker Hans Hölzel ein virtuelles alter ego namens Falco erschaffen hat, kriegt man noch mit; neben dem computergrafisch beeindruckenden Cyber-Falco auf diversen Leinwänden gibt es noch ungefähr vier reale Falco-Darsteller - aber wer genau all die Menschen sind, die da über die Bühne hetzen, bleibt im Dunklen. Nicht, dass die These von der gespaltenen Persönlichkeit Hölzel / Falco so spannend wäre, dass man unbedingt mehr darüber erfahren wollte; der Umstand, dass die Dialoge auf das Existenzminimum gestrichen wurden, hat allerdings zur Folge, dass aus der "Cyber Show" ein mit übertriebenem Aufwand inszeniertes Tribute-to-Falco-Konzert wird.

Von herkömmlichen Musicals unterscheidet sich "Falco" durch die sehr rockige Musik und durch die Präsentationsform: Die Show findet hauptsächlich im Zuschauerraum statt. Das Parkett wurde in eine (Stehplatz-)Arena verwandelt; gespielt wird mitten im Publikum auf einem Laufsteg, dessen Form dem Internet-@ nachempfunden ist (was man nur weiß, wenn man es gelesen hat). Wie bei einer Schock-Performance der katalanischen Gruppe "La Fura dels Baus" werden fahrbare Minibühnen durch die Zuschauermassen bewegt; nur, dass es hier keinen Grund gibt, sich zu fürchten.

Vom ersten ("Der Kommissar") bis zum posthum veröffentlichten letzten Hit ("Out of the Dark") wird ziemlich alles nachgespielt, was in Falcos Repertoire Rang und Namen hat (und Etliches, was zu Recht vergessen war); dazu tragen die Darsteller dem Anlass entsprechende Kostüme und toben durch den von Lichtdesigner Max Keller illuminierten Saal. (Ansonsten ist es mit den Effekten nicht weit her: Anstelle der versprochenen Wasser-Leinwand ist beispielsweise ein Springbrunnen zu sehen.) Die Songs sind angeblich Teil der Handlung; weil es kaum Handlung gibt, ist das nur schwer zu beurteilen. Die Protagonistin von "Jeanny", soviel immerhin wird deutlich, ist hier jene Frau, mit der Falco ein Kind hatte - ehe sich herausstellte, dass er nicht der Vater war. Und in Zusammenhang mit der eher unbekannten Nummer "Titanic" inszeniert Manker eine hübsche, böse Pointe: Falco will Amerika erobern, erleidet auf der Überfahrt Schiffbruch, landet in der Dominikanischen Republik: Hierhin hatte sich Hölzel in seinen letzten Jahren häufig zurückgezogen, hier ereignete sich 1998 der tödliche Autounfall.

Seinen bewegendsten Moment hat der Abend zu Beginn, wenn der Falco-Zeitgenosse Hansi Lang die frühe Falco-Nummer "Ganz Wien" interpretiert: eine zynische Hymne auf die Drogen-Society; Hansi Lang war nach einer kurzen Karriere als König der Wiener New-Wave-Szene in den achtzigerJahren selbst beinahe zum Drogenopfer geworden. Der weiß, wovon er singt, das spürt man: So stark, so traurig, so selbstbewusst ironisch wie dieser Auftritt hätte der ganze Abend sein sollen - daraus ist aus verschiedenen Gründen nichts geworden. Einer davon heißt André Eisermann, der als Hans Hölzel wie ein reiner Tor durch ein Stück wandert, mit dem er wenig zu tun hat. Unter den Musikern und Szenefiguren, die Manker rund um ihn engagiert hat, fällt die Schauspielerattitüde Eisermanns unangenehm auf; wenn er singt, klingt es fast nach Musical. Vielleicht handelt es sich um eine Fehlbesetzung, vielleicht war es so beabsichtigt - überzeugend ist es nicht.

Vermutlich krankt der Abend auch daran, dass Falco nicht abendfüllend ist. Dass Stars mit dem richtigen Leben Probleme haben, ist keine außergewöhnliche Erkenntnis. Es gibt eigentlich keinen triftigen Grund, sich im Jahr 2000 zwei Stunden lang Falco-Nummern anzuhören - die Musik ist alles andere als zeitlos. Was als Mythisierung gedacht war, wurde zur Entzauberung eines Mythos. Wenn er nicht gestorben wäre, hätte sich Hans Hölzel über "Falco" vermutlich gewundert. Wenn er nicht gestorben wäre, hätte es eine Show wie "Falco" nie gegeben.

Wolfgang Kralicek

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