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Kultur: Es liebt sich so leidlich - Olivier Messiaens monumentale Turangalîla-Symphonie

Bescheidenheit war Trumpf: Was immer man zu Olivier Messiaens monumentaler Turangalîla-Symphonie sagen würde, so Elmar Budde, der Moderator der Einführungsveranstaltung, man käme sich vor, als pflanzte man vor einem riesigen Felsgebirge zwei winzige Blümchen. Ein Werk, das sich jedem Wort entzieht?

Bescheidenheit war Trumpf: Was immer man zu Olivier Messiaens monumentaler Turangalîla-Symphonie sagen würde, so Elmar Budde, der Moderator der Einführungsveranstaltung, man käme sich vor, als pflanzte man vor einem riesigen Felsgebirge zwei winzige Blümchen. Ein Werk, das sich jedem Wort entzieht? Ein programmatisches Stück Musik des 20. Jahrhunderts (komponiert 1946 bis 48), welches sich jedem ästhetischen common sense so nachhaltig verweigert, dass selbst dem heutigen Hörer noch alles Hören vergeht?

In der Tat kann man sich im buntscheckigen Patchwork der Partitur, die von nichts Geringerem handelt als von der Liebe und vom ganzen Leben (die "Tristan"-Bezüge sind belegt), leicht verlieren: Da zieht sich das Schicksalsraunen der Posaunen verdächtig leitmotivisch durch alle zehn Sätze, da brechen sich impressionistische Einschübe à la Debussy an verstecktem Swing und Bigband-Sound ("Joie du sang des étoiles"), da schnattert, tiriliert und zwitschert es zuweilen wie in einer exotischen Voliere. Die Natur, so der Vogelstimmen-Sammler Messiaen, sei ihm lieber als jeder Synthesizer.

So virtuos er seine stilistischen Claims nun absteckt - die eigene Hörbefindlichkeit in der Philharmonie schwankte, wusste sich zwischen esoterischem Gründeln und den martialisch aufgeblähten Crescendi nicht recht zu orten. Oder, um bei Budde zu bleiben: Man verharrte am Fuß des Gebirges - und staunte. Mehr nicht.

Dem Berliner Philharmonischen Orchester aber, das sich von einem flammend inspirierten Kent Nagano sichtlich anstecken liess, war dies kaum anzulasten: Das gallertartige Hin- und Herschwenken der Klangmasse zu Beginn des ersten Liebesliedes etwa oder das sich lichtende Chaos im dritten Satz wurden kaum je so luzide, mit solcher Selbstverständlichkeit musiziert - was umstandslos auch für Pierre-Laurent Aimard, den fabelhaft differenzierenden Pianisten, und Dominique Kim am Ondes Martenot galt (einem speziellen elektronischen Melodie-Instrument).

Mit "Musik im Gespräch" haben die Philharmoniker eine Einführung ins Leben gerufen, die Zukunft hat. Vielleicht geht es in der Moderation demnächst auch etwas weniger betulich-poetisch. Obwohl: Was ist eine Felswand schon ohne Blumen?Noch einmal am 10. und 11. März, auf nachträglichen Wunsch der Künstler jeweils mit einer Pause nach dem fünften Satz.

Christine Lemke-Matwey

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