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Kultur: Es war einmal im Bambuswald

Zhang Yimous Liebeskampfkunst-Drama „House of Flying Daggers“

Dass Liebe die unmittelbar Betroffenen nachhaltig schädigen kann, ist bekannt. Doch auch Filme überstehen den intimen Kontakt mit der Leidenschaft nicht immer unbeschadet. Nicht, dass man grundsätzlich etwas gegen die Liebe im Kino hätte, gegen ihre süße zerstörerische Kraft. Doch ihre distanzlose Vergötterung ließ schon manches Werk unter der Last nimmer endender Liebesschwüre zum kinematographischen Brunstgesang anschwellen.

Jetzt hat es mit Zhang Yimou einen Filmemacher erwischt, der nach seinen in Europa begeistert aufgenommen Anfängen in den Endachtzigern immer mehr in Sentimentalitäten abgeglitten war. Vor zwei Jahren hatte der Chinese dann – wie vorher sein Regiekollege Ang Lee – den Weg in die eigene Filmtradition gefunden und mit „Hero“ ein Wuxia-Genrestück hingelegt, dessen technisch-ästhetische Perfektion ebenso beeindruckte, wie ihr ausgestellt meisterlicher Gestus manche abstoßen mochte.

Mit seiner visuellen Opulenz, Artistik und Farbdramaturgie knüpft „The House of Flying Daggers“ direkt an den bildgewaltigen „Hero“ an, auch wenn die Handlungszeit vom Altertum in ein nicht weniger mythisches mittelalterliches China gewandert ist, wo eine geheimnisvolle Rebellentruppe den Aufstand probt. Leo (Andy Lau) und Jin (Takeshi Kaneshiro) sind als Polizeispitzel ausgesandt, sie zu bekämpfen und landen bald in einem Edelbordell, dessen Hauptattraktion ausgerechnet die Tochter des Rebellenführers (Zhang Ziyi) sein soll. Es folgen Fluchtbewegungen und Verfolgungsjagden durch Wälder und Traumlandschaften, die nach allerlei Versteckspiel und Hin und Her in einem tragischen Liebesdreieck endet.

Ein origineller Plot ist das nicht. Aber das macht nichts. Schließlich hat Regisseur Yimou seinen Film als Hommage an ein Genre deklariert, dessen Stärke gerade in der Variation des Immergleichen gründet. So wird auch hier der von Martial-Arts-Altmeister King Hu einst grandios zelebrierte „Kampf im Bambuswäldchen“ noch einmal mit neuen fantastischen Wendungen versehen. Hauptdarstellerin Zhang Ziyi darf kämpfen und springen, dass es eine Lust ist. Und mit Zhao Xiaoding hat Yimou einen Kameramann gefunden, der es in der scheinbar mühelosen Überbrückung großer Entfernungen mit den titelgebenden fliegenden Dolchen locker aufnehmen kann und außerdem die Herbstwälder in schönsten Rottönen glühen lässt.

Doch trotz all dieser Pracht mag das Herz diesmal nicht aufgehen. Vielleicht, weil Zhang Ziyi als Rebellin doch immer nur aussieht wie ein zu stark geschminktes Kind. Vielleicht, weil die federleichte Zen-Spiritualität von King Hus’ Kinomärchen einer westlichen Liebeserlösungsdramaturgie weichen musste, die bei Wagner besser aufgehoben wäre. Und der bei Yimou rare Humor beschränkt sich im Wesentlichen auf Anzüglichkeiten – wenn man nicht die Heiterkeit hinzurechnen möchte, die manche im Publikum anlässlich des opernhaft endlosen Schlusses in schneeiger Einsamkeit in hysterisches Kichern trieb.

Oder sind solche emotionalen Missverständnisse nur Folge einer Synchronisation, die auch noch die ernsthaftesten Dialoge zu den größten Lachern werden lässt?

Silvia Halllensleben

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