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Kultur: Eulen um die Ecke

Verflixtes zweites Jahr: die Berliner Liste im Umspannwerk Kopenhagener Straße

Das Ungemütlichste ist das Messe-Café: Der Berliner Künstler Martin Mlecko hat die Nachbarschaftskneipe „Euler Eck“ samt Personal für die Dauer der Ausstellung in die Messehallen transferiert. Da sitzt man nun in einem düsteren Raum, von den Wänden flimmern Videos, und von der titelgebenden Liebe, die die Installation „Über die Liebe im ‚Euler Eck’“ verspricht, ist nicht viel zu spüren.

Auch sonst sind die Räume im ehemaligen Umspannwerk in der Kopenhagener Straße nicht unbedingt geeignet für eine Messepräsentation: Auf zwei Etagen verteilt, ist der Parcours durch die Kojen recht unübersichtlich, wozu auch das Konzept der Partnerschaftsstände zwischen Berliner und auswärtigen Galerien beiträgt. Und die Tatsache, dass sich kaum einer der Galeristen auf einen Künstler konzentrieren mochte: Rund 140 Positionen werden vorgestellt, oft nur mit ein oder zwei Werken – viel Kunst, aber leider zu wenig gute Kunst.

Die erst im letzten Jahr gegründete Off-Messe rund um Wolfram Völcker hat im zweiten Jahr eine ziemliche Personalabwanderung zur neu gegründeten „Preview“ hinnehmen müssen. Immerhin: 40 Galerien aus neun Ländern sind dabei, darunter Berliner wie Blickensdorff, Völcker, Denninger und Inga Kondeyne.

Das Konzept, jenseits der teuren Messestände vor allem jüngste, noch bezahlbare Kunst zu zeigen, lässt auch hier Glücksgriffe zu. Es sind allerdings Entdeckungen, die man zeitgleich auch auf dem Art Forum machen kann: Stefan Mauck zum Beispiel, Meisterschüler von Johannes Brus in Braunschweig, inzwischen in Bern ansässig, der aus Sperrholz und Pappkarton ganz wunderbare vielansichtige Architekturmodelle baut: ein Trafohäuschen, ein Reihenhaus, ein Toilettenhäuschen (TZR Galerie Bochum, 800 bis 4800 Euro, teilweise schon verkauft). Räumlich bezogene Kunst scheint ohnehin angesagt: Seien es Rolf Wickers Treppenmodelle (Inga Kondeyne, 500 bis 700 Euro), Kai Schiemenz’ Modell für eine Stadionkonstruktion für Karlsruhe (SMP Marseille), Ina Geißlers aus Treppen, Fenstern, Fußböden collagierte Bilder (Patrick Heide London, 3800 Euro, verkauft) oder Michael Botors raffiniert übereinander gelegte Schattenräume (Antje Wachs, Berlin, 1850 Euro): Architekturfantasien gibt es allerorten.

Enttäuschender dagegen die gegenständliche Malerei, etwa Marina Naprushkinas Soldatinnen oder die Chinesin Zhao Qianti: viel Sekundäres hier, wenig Originelles. Es wurde allerdings schon kräftig verkauft. Star der Messe jedoch ist eine postume Entdeckung: die im Januar im Alter von 95 Jahren verstorbene Pariser Künstlerin Aurelie Nemours. Ihre Serigrafien, präsentiert von Caryl Ivrisse bei 52°31’52’’, sind schönste Minimal-Kunst: zarte schwarze Linien auf weißem Grund („Le Vertical I und II“, 1250 Euro). Eine Seltenheit – und entsprechend begehrt.

Berliner Liste 2005, Umspannwerk Kopenhagener Straße, bis 3. Oktober, Donnerstag bis Sonntag 14–22 Uhr, Montag 14–18 Uhr, www.berliner-liste.org.

Christina Tilmann

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