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Kultur: Eulen und Meerkatzen

Die Galerie Barbara Wien erinnert an den Fluxus-Pionier Arthur Köpcke

Eulenspiegel war vielleicht der erste verbriefte Fluxus-Künstler. Ein listiger Schalk, klüger als alle anderen. Einer, der das Verdrehte aus der echten Welt wörtlich nahm und auf seine Art richtig stellte. Ein brillanter, berühmter und berüchtigter Tänzer auf dem Seil. So einer war auch der 1928 geborene Arthur Köpcke, der in den Sechzigerjahren zu der von George Maciunas ausgerufenen Gemeinde der Fluxuskünstler gehörte. Mit seinen malerischen Wortwörtlichkeiten verkehrte er spitzfindig die Wirklichkeit. Seine irritierenden Bild- und Lesetexte waren unverkäuflich wie Eulen und Meerkatzen. Und seine Performances riskant wie Tänze auf dem Seil: Ob er nun 20 Zigaretten auf einmal qualmte, seine „Reading-Pieces“ exerzieren oder sich in aller Disziplin klar artikulierend, aber coram publico besoff. Er starb, bevor er 50 wurde.

Dass wir heute noch etwas vom künstlerischen Œuvre des deutschen Dänen sehen können, liegt an der praktischen Intelligenz und hartnäckigen Neugier einer Frau, die es verstand, aus Gedächtnisprotokollen, Erinnerungen und Verklärungen von Köpckes Künstlerfreunden und Zeitgenossen kunstgeschichtliche Dokumente zu machen – und ihm nun eine Einzelausstellung  in ihrer Galerie widmet. Als Barbara Wien seinerzeit vom  Köpcke-Nachlass hörte, in dem sich angeblich nur wertlose Schnipsel, Rechnungen oder Handzettel befänden, ließ sie sich nicht beirren und fuhr  nach Dänemark. Seitdem hat sie Köpckes Arbeit nicht nur sorgsam entziffert, gesammelt und herausgegeben. Sie tritt mittlerweile sogar den Beweis an, dass es möglich ist, die Werke des Fluxus-Pioniers zu verkaufen (Preise zwischen 12 000 und 22 000 Euro). Die Assemblage „Otto Olsen, Nr. 63“ erwarb bereits die Kunsthalle Kiel. Das „Piece Nr. 97“ (3500 Euro) ist reserviert.

Ihre Ausstellung gibt darüber hinaus Gelegenheit für eine Geschichtsstunde in Sachen Fluxus. „Was ist das?“ hatte schon Köpcke seinerzeit als Lieblingsfrage zwischen die Wortzeilen geschrieben. Und auch der Besucher fragt sich, was von dem einstigen Aufbruch geblieben ist. Ist Fluxus ein abgeschottetes Kapitel der Kunstgeschichte – weil die Protagonisten der Sechzigerjahre gleich selbst ihre Bewegung zu Grabe trugen? Viel mehr ist es Lebenseinstellung als Kunst, stets an den Akteur gebunden. Oder nur ein Begriff, der in Momenten hilft, wenn das Unmöglichste oder Alltäglichste beschrieben werden soll, wenn sich komische Leute Performances und Partituren mit ulkigen Titeln ausdenken. Für solche Momente, die, einfach gesagt, die grenzgängerischen Freiübungen der Kunst ausmachen. Während man nach Lösungen sucht, scheint Köpcke augenzwinkernd eine Antwort zu geben: „Was sagt das schon, du suchst“ ist an einer Stelle zu lesen.

Ein anderer Köpcke-Klassiker erinnert an die englische Radiosendung „Music while you are working“.  Auch bei Köpcke arbeitete jemand.  Und dazu spielte Musik. Hielt diese an, stoppte auch die Arbeit. Köpcke hat es selbst gerne aufgeführt, und dazu gekehrt oder aufgeräumt, und manchmal sogar seine Fluxus-Collaborateure arbeiten lassen. Umgekehrt hat er bei Nam June Paik oder Tomas Schmid kreativ mitgemischt.  Zum Beispiel gab es ein Gemeinschaftprojekt, bei dem sich die Creme de la Creme wortwörtlich selber salbte: Das „Nivea Creme Piece“ von Alison Knowles. Emmet Williams, Dick Higging, George Maciunas und Arthur Köpcke stellten sich dabei in einen Kreis. Sie verknäulten die Hände, cremten und salbten, dass es nur so ins Mikrofon schmatzte. Die DVD wirkt rührend, wie ein alter Schwarz-Weiß-Film, den man im Ohrensessel zu sehen wünscht. Um kurz in der Vergangenheit zu schwelgen: Wie schrieb Joseph Beuys 1977 in seinem Köpcke-Nachruf in der „Zeit“? „Ich denke jede Nacht an Arthur Köpcke.“

Arthur Köpcke, Galerie Barbara Wien, Linienstraße 158, bis 15. Februar; Dienstag bis Freitag 14–19 Uhr, Sonnabend 12–18 Uhr.

Thea Herold

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