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Kultur: Existenziell

Regisseur David O. Russell über Zen und die USA

Dustin Hoffman und Lily Tomlin schleichen als „existenzielle Detektive“ durch Ihren Film. Fühlen Sie als Regisseur ebenfalls in der Rolle des existenziellen Ermittlers?

Als Filmemacher muss man den Geist der Menschen, ihre Art zu leben und die Realität, die sie umgibt, untersuchen. Das ist das Beste an meinem Job.

Die Hauptfigur in „I Heart Huckabees“, der kriselnde Umweltaktivist Albert Markovski, wirkt wie Ihr Alter Ego...

In meinen Zwanzigern war ich in verschiedenen politischen Gruppen aktiv. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man auf einem Parkplatz Flugblätter verteilt und einem die Leute ins Gesicht spucken. Deshalb habe ich Albert zu einem Politaktivisten gemacht, der die Welt, aber auch sich selbst hinterfragt.

Politisches Engagement und Selbstfindung werden oft als Gegensatz empfunden...

Viele behaupten, Selbstfindung sei eine egoistische Angelegenheit. Aber die Zen-Philosophie sagt: Der einzige Weg, die Welt zu verändern, ist, sich selbst zu verändern.

Haben Sie sich eingehender mit fernöstlicher Philosophie beschäftigt?

Ich habe mich am College mit Zen- und tibetischer Philosophie beschäftigt und bei Bob Thurman – dem Vater von Uma Thurman – studiert. Die Figur, die Dustin Hoffman in „Huckabees“ spielt, ist Thurman nachempfunden. Er ist ein smarter, lebhafter und vollkommen unprätentiöser Lehrer, der mit jedem über metaphysische Ideen diskutieren kann.

Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist normalerweise eine ernste Angelegenheit. Warum haben Sie sich für eine Komödie entscheiden?

Ich mag Komödien. Lachen macht uns empfänglich für Dinge, die wir normalerweise nicht an uns heranlassen wollen.

Spiegelt sich in „I Heart Huckabees“ auch der polarisierte Zustand der amerikanischen Post-Nine-Eleven-Gesellschaft?

Amerika ist gespalten. Auf der einen Seite gibt es Leute wie den Feuerwehrmann, den Mark Wahlberg spielt. Er sagt: „Wie können wir nach dieser Tragödie einfach so weiterleben? Unsere Ökonomie mordet jeden Tag, und ich weigere mich, da mitzumachen.“ Die anderen, wie die christliche Familie, bei der er zum Essen eingeladen ist, sagen: „Halt’s Maul“ und leben ihr Leben weiter. Sie wollen sich nicht öffnen, weil sie Angst haben, den Glauben zu verlieren. Diese Haltung predigt Bush jeden Tag. Aber eine spirituelle Tradition, die den Geist nicht öffnet, ist nichts wert. Es geht darum, wie wir an dieser Welt partizipieren wollen und welchen Sinn wir in ihr sehen.

Die Großkonzerne scheinen im US-Kino zurzeit das Feindbild Nr. 1 zu sein. Wird Hollywood doch noch zur antikapitalistischen Kaderschmiede?

Der Kapitalismus war cool, solange er sich am Sozialismus messen musste. Heute haben die globalen Konzerne einen unerbittlichen Hunger entwickelt. Sie versuchen sich immer den Anschein zu geben, dass sie sich um Natur und Umwelt sorgen. Aber das ist eine Illusion. Sie fressen sie einfach auf.

Das Gespräch führte Martin Schwickert.

DAVID O. RUSSELL wurde mit „Spanking the Monkey“ (1994)

in den USA bekannt. Es folgten die Komödie „Flirting with Desaster“ (1996) und, auch auf der Berlinale, „Three Kings“ (1999).

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