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Kultur: Expo-Konferenz: Kultur ist die schönste Form der Freiheit

Besucher, die lange nicht in Deutschland waren, mögen überrascht sein über das internationale Bild unserer Städte - jedenfalls kulinarisch: Neben den Bratwurstgrill sind Dönerbuden gezogen, in der City konkurriert der US-amerikanische Hamburger mit dem Asia-Snack. Ein britischer Architekt hat den Reichstag umgebaut, eines der berühmtesten deutschen Orchester wird von einem Italiener geleitet, das andere von einem Briten, das dritte von einem Amerikaner - der kulturelle Alltag in Deutschland trägt die Farben vieler Länder.

Besucher, die lange nicht in Deutschland waren, mögen überrascht sein über das internationale Bild unserer Städte - jedenfalls kulinarisch: Neben den Bratwurstgrill sind Dönerbuden gezogen, in der City konkurriert der US-amerikanische Hamburger mit dem Asia-Snack. Ein britischer Architekt hat den Reichstag umgebaut, eines der berühmtesten deutschen Orchester wird von einem Italiener geleitet, das andere von einem Briten, das dritte von einem Amerikaner - der kulturelle Alltag in Deutschland trägt die Farben vieler Länder.

Kulturen befruchten sich gegenseitig - das bewahrt sie vor musealer Erstarrung. Diese Entwicklung birgt aber auch das Risiko einer kulturellen Entfremdung. Und auch in Deutschland verläuft die Entwicklung zu einer multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft nicht konfliktfrei. Mancher empfindet angesichts der hohen Arbeitslosigkeit Ausländer als Bedrohung für seinen Arbeitsplatz - obwohl dieses Gefühl mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.

Die Globalisierung hat zur Folge, dass die verschiedenen Kulturen intensiver aufeinander einwirken, als dies je der Fall war. Die Differenzierung unserer Lebenswelten führt eben auch zu schmerzlichen Verlusten, zu einem Gefühl, sich selbst in der neuen, komplexen Welt der Moderne verloren zu haben. Alle Menschen suchen nach einer Orientierung. Die Angebote der Kultur haben das Potenzial dafür. Aber aus Ressentiments und trotziger Selbstbehauptung können auch Intoleranz und Abweisung entstehen, wie zahlreiche Beispiele der Ethnisierung von sozialen Konflikten gezeigt haben. Auch deshalb steht das Thema der kulturellen Identität ganz oben auf der Agenda der deutschen Regierungsarbeit. Sie lässt sich nicht verordnen. Und es wäre leichtfertig zu sagen, mit Hilfe von "Kultur" ließen sich existenzielle Konflikte abschließend lösen. Die bloße Aufforderung, der kulturelle Dialog müsse intensiviert werden, genügt nicht.

Dialog setzt gegenseitige Lernbereitschaft voraus, er kann nur dann funktionieren, wenn man davon ausgeht, dass auch der andere Recht haben könnte: Der Weg vom Konflikt zum Dialog kann steinig sein. Teil unserer Kulturpolitik ist deshalb die Auseinandersetzung mit dem Phänomen aufeinandertreffender Kulturen. Die Art und Weise, wie sich der kulturelle Austausch in unserer Gesellschaft entwickelt, wird die Qualität unseres Alltagslebens in zunehmendem Maße prägen: Die Einübung von Toleranz ist eine kulturelle Herausforderung.

"Kultur" meint in diesem Zusammenhang weniger eine bestimmte eherne Tradition, sondern alle Formen von Zweifel, von kritischer Überwindung des jeweils Normalen. "Kultur" ist eine Chiffre für geistige Innovation, für satirisches Gelächter, für Fantasie, für intellektuelle Herausforderung - aber auch für Trost, für Entspannung und für alle jene Formen von Unterhaltung, die nicht automatisch verdummen. Sie ist aus meiner Sicht die schönste Form politischer Freiheit in einer demokratisch verfassten Gesellschaft. Der Staat kann vor allem durch eine sozial gerechte Politik, aber auch durch nationale und internationale Kulturförderung, durch Belebung des Kulturaustauschs, durch Bildungs- und Sprachförderung zur Stärkung des Dialogs der Kulturen seiner Verantwortung gerecht werden.

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