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Kultur: Exzentrisch

Streichquartette bilden seit langem einen der Programmschwerpunkte der Berliner Festwochen, und so bietet alljährlich der September einen Überblick über die internationale Quartettszene, der seinesgleichen suchen dürfte - von den großen Stars bis zu den jüngeren Ensembles.Das Publikumsinteresse kann bei diesem großen Angebot allerdings erschreckend ungleich verteilt sein, wie die beiden ersten Quartettabende dieses Jahres zeigten: einem fast ausverkauften Kammermusiksaal beim Alban Berg-Quartett stand eine knappe Hundertschaft vereinzelter Besucher in der Staatsbibliothek gegenüber, die den Weg zum Konzert des exzellenten Wiener Artis-Quartett fanden.

Streichquartette bilden seit langem einen der Programmschwerpunkte der Berliner Festwochen, und so bietet alljährlich der September einen Überblick über die internationale Quartettszene, der seinesgleichen suchen dürfte - von den großen Stars bis zu den jüngeren Ensembles.Das Publikumsinteresse kann bei diesem großen Angebot allerdings erschreckend ungleich verteilt sein, wie die beiden ersten Quartettabende dieses Jahres zeigten: einem fast ausverkauften Kammermusiksaal beim Alban Berg-Quartett stand eine knappe Hundertschaft vereinzelter Besucher in der Staatsbibliothek gegenüber, die den Weg zum Konzert des exzellenten Wiener Artis-Quartett fanden.

Das Alban Berg-Quartett ist natürlich die Idealbesetzung zum Start in die diesjährige Beethoven-Staffette - und das auch, weil es mit seinen vier Pultvirtuosen von ganz unterschiedlichem Temperament so deutlich ausspielt, was ein Konzert gegenüber der zuhause gehörten CD zu bieten vermag.Die Artikulation und Phrasierung ist teilweise geradezu exzentrisch, aber nie aufgesetzt, die Eigenständigkeit der vier Stimmen mit traumwandlerischer Sicherheit bis an die äußerst mögliche Grenze geführt, und der Klang, dessen Spannung nicht eine Sekunde nachläßt, zuweilen fast bis zum Bersten gebracht.Das konnte in Beethovens op.127 nicht durchgehend begeistern, erschloß jedoch die zerrissene Welt, die im e-Moll-Quartett op.59,2 um ein endlos weitgesponnenes Adagio herum tobt, auf unübertreffliche Weise.

Auf den Nebenpfaden der jüngeren Wiener Musikgeschichte bewegte sich das Konzert des Artis-Quartetts, und es schloß dabei auch die in diesem Jahr ziemlich an den Rand geschobene Neue Musik mit ein: ein frühes, harmonisch raffiniertes, noch Dvorak-nahes Quartett in e-Moll von Alexander Zemlinsky (1892) und das monumentale 1.Streichquartett (1903) des außerhalb Wiens fast völlig vergessenen Zemlinsky-Schülers Karl Weigl umrahmten im "Musikalischen Nachtstudio" das 1992 entstandene 4.Streichquartett von Erich Urbanner, Musik, deren bohrende ekstatische Spannung der Welt der älteren nicht fernstand, aber in der klaren Formgebung fast klassizistisch wirkte.Das in allen vier Stimmen hervorragend besetzte Artis-Quartett, auch durch Tonaufnahmen schon länger ausgewiesene Zemlinsky-Spezialisten, spielte alle Werke mit höchster Perfektion, absolut intonationssicher, in idealer Balance zwischen Farbigkeit der Einzelstimmen und Ensembleklang.

MARTIN WILKENING

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