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Klaviervirtuose. Fabian Müller, geboren 1990.

© Annemone Taake

Fabian Müller im Boulez Saal: Knappheit als Lebensprinzip

Der Pianist Fabian Müller spielt sich im Pierre Boulez Saal quer durch die Musikgeschichte.

Verdichtung auf engstem Raum, alles sagen in wenigen Noten, Knappheit als Lebensprinzip: Das ist Anton Webern, auch in den kurzen, auf Zwölftontechnik basierenden Variationen op. 27 für Klavier. Fabian Müller, 1990 in Bonn geborener Pianist und Gewinner des ARD-Musikwettbewerbs, eröffnet mit ihnen seinen Soloabend im Pierre Boulez Saal. Und schenkt den Tönen eine harte, fast virile Konsistenz, betont ihren Charakter als kostbares, unwiederholbares Klangereignis.

Musikgeschichtlich springt Müller dabei vor und zurück, in einem Rutsch ohne Pause. Weberns letzte Note geht umstandslos über in die erste von Franz Schuberts Klavierstücken D 946. Jetzt ist dunkle Poesie angesagt, Erlkönigklänge, aber auch – das Faszinosum Schubert besteht ja darin, dass beides immer nebeneinander existiert – Glück, Trost, Tänzerisches, in diesem Fall aus Böhmen.

Der Steinway wird umgedreht. Damit soll der Umstand ausgeglichen werden, dass Frank Gehrys Konzertsaal zwar einer der schönsten in Berlin ist, aber die Ellipsenform eben kein Vorne und kein Hinten kennt. Irgendjemandem wendet man immer den Rücken zu. Dann ein gewaltiger, markerschütternder Akkord aus vier Cs im Oktavabstand, in vierfachem Forte. Er erklingt so lange, bis die Saite tatsächlich mechanisch zu schwingen aufgehört hat. Wolfgang Rihm hat „Tombeau“ („Grabmal“) mit 23 Jahren für Ingeborg Bachmann geschrieben, eine einzige Erregung über den Skandal, dass wir sterben müssen, in der die Stille fast noch schmerzhafter ist als die gespielten Töne.

Fabian Müller nimmt diesen Gestus des Zorns direkt mit hinüber in Beethovens Hammerklaviersonate, nicht immer zu derem Vorteil. Gehetzt schon in der fanfarenartigen Eröffnung, agiert er so, als ginge es in jeder Phrase ums Äußerste – vielleicht auch ein Missverständnis Beethovens. Man denkt: Dass Adagio sostenuto würde ihn zu mehr Ruhe und Innerlichkeit zwingen. Aber die Einkehr klingt vordergründig, nicht empfunden. Gelungen dann wieder die Fuge im Finalsatz, mit der Beethoven – dieser Gedanke drängt sich bei Müllers Spiel auf – eine barocke Form fast in die Moderne gehoben hat. Zu später Stunde wird klar: Müller passt an diesem Abend sein Temperament nicht den einzelnen Sätzen an, sondern geht mit immer gleichem Stil an die Stücke. Und die „antworten“ darauf eben mal mehr und mal weniger.

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