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Kultur: Fahrstuhl zum Komplott

Im Wettbewerb: Patrice Lecontes aparter Liebeskrimi „Confidences trop intimes“

Gute Idee. Geht eine Frau zum Psychiater und irrt sich in der Tür. Also beichtet sie dem Steuerberater eine Tür weiter ihre Eheprobleme, der das Missverständnis nicht aufzuklären wagt und stattdessen selbst zum Psychiater geht, um wiederum seine Probleme mit der ungewöhnlichen Klientin zu beratschlagen.

Guter Anfang. Schnelle Schritte auf Großstadtpflaster, dräuende Dissonanzen, Horror hängt in der Luft. Das könnte jetzt auch ein Stephen King werden, flüstert mir der Kollege von der „Harald Tribune“ zu. Prompt bedeutet der Soundtrack unmissverständlich, dass das hier ein Thriller wird, mit düsteren Korridoren, an deren abgenutzten Wänden sich die Kamera ängstlich entlang drückt, als fürchte sie das Schlimmste. Mit schwerem Holzmobiliar in der Steuerberater-Kanzlei, gedimmtem Licht, geschlossenen Vorhängen und nervösen, taxierenden Blicken.

Gute Besetzung. Sandrine Bonnaire als Anna. Große Mandelaugen im leicht verstörten und doch ebenmäßigen Gesicht, sie trägt Blümchenblusen und Jäckchen aus hauchzarter Wolle. Fabrice Luchini, der sonst so geschwätzige Komiker in Frankreichs Autorenfilmen, spielt den Steuerberater, sagt diesmal fast nichts, guckt konsterniert, wirkt fragil. Und Anne Brochet spielt seine Ex, mit wunderbar kantiger Schönheit.

Jetzt wird es verwirrend: Ein Film mit Bonnaire, Luchini und Brochet kann schlechterdings kein Horrorstreifen sein. Er heißt ja auch „Confidences trop intimes“, verspricht also eher amouröse Bekenntnisse, und ist von Patrice Leconte, dem Garanten für französische Eleganz und, na ja, filmisches Kunsthandwerk auf hohem Niveau.

Einen sentimentalen Thriller nennt Leconte sein Werk. Wohl wahr: diese aparte und doch solide Art, eine Liebesgeschichte nur in Andeutungen zu erzählen kennen wir von ihm. Dieses schwebende, altmodisch Uncoole, dieses diskret Delikate. Und dazu die Selbstreferenz, denn Kino ist ja die hohe Kunst des Lügens und Anna womöglich gar keine leidende Gattin, sondern bloß eine neurotische Hochstaplerin: Vielleicht ist sie es ja, die ihren impotenten, perversen Gatten (Gilbert Melki) für ihr Komplott einspannt und den Steuerberater zu einem mysteriösen erotischen Spiel verführen möchte. Hinzu kommen die voyeuristischen Blicke in die Fenster der Nachbarwohnungen. Die Art, wie sich Sandrine Bonnaires Haarsträhnen auf dem Schlüsselbein kräuseln. Und das Happy-End, das jede Intrige in Wohlgefallen auflöst. Lauter bewährte, belanglose Raffinessen.

Man muss das ja nicht unbedingt ernst nehmen. Leconte hatte offenbar Lust auf Selbstironie. Jedenfalls erfahren wir, dass Psychiater verdammt geldgierig sind, dass ruppige Sekretärinnen (Hélène Surgère) zum Inventar eines ordentlichen Steuerberaters gehören, und dass dieser Beruf dem des Analytikers doch sehr ähnelt: Es geht immer darum, was man verheimlicht und was man erklärt.

Leconte legt ziemlich viel offen. Zeigt sein Handwerkszeug her, etliche Kinotricks fürs Angstmachen, Lustmachen und Spaßmachen und mokiert sich darüber. Allein die permanente Untersicht, die noch jedes Bild verzerrt. Oder der saftige Soundtrack, nach dem Motto: Lieber Zuschauer, so klingt’s, wenn man zu dick aufträgt. Wenn Anna zur „Sitzung“ kommt, rumpelt der Fahrstuhl ausgesprochen gefährlich. Und der Paketbote taxiert sie dortselbst, als plane er einen Überfall! Nein, ätsch, nichts passiert.

Als der Psychiater sich einmal über die Angst der Männer vor der Unergründlichkeit der Frauen auslässt, spitzt er gerade seinen Bleistift, mit einem sehr eleganten Bleistiftspitzer. Und die Geigen jaulen. Mehr Sex gestattet Leconte seinem Publikum nicht.

Heute, 12 Uhr und 21 Uhr (Royal), 15. 2.

12 Uhr (Royal)

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