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Kultur: Famose Zeit

Programmusik ist ein Phänomen des 19.Jahrhunderts: Das 18.

Programmusik ist ein Phänomen des 19.Jahrhunderts: Das 18.sprach noch nicht, das 20.eigentlich nicht mehr von ihr.Mit Max Regers Vier Tondichtungen Opus 128 und "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss standen nun zwei Werke auf dem Programm des DSO, die - jeweils gewaltig dimensioniert - das Ende der spätromantischen Programmusik am Übergang zur Moderne markieren.Ihre außermusikalischen Vorlagen sind sehr unterschiedlicher Natur: Hier vier Gemälde des Schweizer Malers Arnold Böcklin, die den Komponisten zu einer sinfonischen Suite aus vier Charakterstücken angeregt haben, dort Nietzsches mythisch-philosophische Dichtung, auf die Richard Strauss Bezug nimmt.

Horst Stein dirigierte in der Philharmonie beide Werke gleichermaßen detailgenau: die vielen schwierigen Übergänge und Soli, das kontrapunktische Geflecht der zahlreich geteilten Streicher - all das gelang famos, war offenbar sehr genau geprobt worden.So wirkte Strauss weniger gewaltig, ja an vielen Stellen geradezu luzide durchhörbar, die vermeintlich bloß reihende Bogenform wirkte von Anfang bis Ende sehr schlüssig.Bei Reger glaubte man im nachhinein manche Parallele zu Strauss zu hören: von der düster-lastenden Atmosphäre der "Toteninsel" bis zur virtuosen Orchesterbehandlung.Der vierte Satz, "Bacchanal", erinnerte als Apotheose des Tanzes an die metaphysische Erhöhung des Wiener Walzers am Ende von "Zarathustra".Das DSO spielte unter Horst Stein bald apollinisch-gezügelt, bald dionysisch-überschwenglich, und so wirkten diese gewaltigen programmatischen Werke sehr gelungen, über jeden ästhetischen Zweifel erhaben.

Dazwischen, ein wenig ein Fremdkörper, spielte Nikolaj Znaider das erste Violinkonzert von Max Bruch.Der 23jährige, in Dänemark als Sohn polnisch-israelischer Eltern geborene Solist wirkte in seinem altertümlichen Gehrock wie eine Erscheinung aus dem 19.Jahrhundert - und ein wenig klang so auch seine Interpretation.Znaider fasziniert mit weitgeschwungenen süßlichen Melodiebögen, mit zartesten Übergängen im Pianissimo; doch etwas weniger Glissandi und Portamenti hätten seine Interpretation auch weniger kitschig erscheinen lassen.Technisch über jeden Zweifel erhaben (das zeigte auch die brillante Ysaÿe-Zugabe) betört Znaider vor allem durch die Tongebung, die er seinem wunderbaren Instrument entlockt.Dem jungen Musiker steht zweifellos eine große Karriere bevor - doch sein Stilgefühl vermag vielleicht noch ein wenig zu reifen.

GREGOR SCHMITZ-STEVENS

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