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Kultur: Fang das Schnäppchen

Bonnier, Bloomsbury, Phaidon: Warum immer mehr ausländische Verlage in den deutschen Buchmarkt investieren

Die Stimmung ist schlecht auf der Frankfurter Buchmesse: Seit zwei Jahren sinken die Umsätze. Zweihundert Unternehmen, darunter so bekannte wie die Berliner Buchhandlung Kiepert, gingen Bankrott. Ausländische Verlage aber scheint das nicht zu schrecken. Letzte Woche wurde bekannt, dass Bonnier aus Schweden die Econ-Ullstein-List-Verlage von Bertelsmann/Random House erwirbt. Das große schwedische Familienunternehmen, das hierzulande schon Piper, Thienemann, Ars Edition und den Harry-Potter-Verlag Carlsen besitzt, rückt mit der Akquisition zur drittgrößten Verlagsgruppe zwischen Rhein und Elbe auf (160 Millionen Euro Umsatz).

Bonnier ist nicht der einzige ausländische Verlag, den Deutschland lockt. Der internationale Markt, wie ihn die Wissenschafts- und Fachbuchverlage kennen, entsteht langsam auch bei den Publikumsverlagen. Die ausländischen Unternehmen kaufen hierzulande entweder Konkurrenten oder gründen Dependancen. Bonnier und Bloomsbury verfolgen die erste Variante. Die Bonnier-Verlage arbeiten selbstständig, auch die schwedische Medienholding, zu der zweihundert Unternehmen gehören, ist dezentral organisiert. Bonnier konzentriert sich der kulturellen Nähe wegen auf Nordeuropa.

Der Londoner Verlag Bloomsbury entdeckte Harry Potter (68 Millionen Pfund Umsatz, 11 Millionen Pfund Gewinn vor Steuern) und kaufte im April den Berlin Verlag. Die Freundschaft der Verlagsleiter und gemeinsame Autoren wie Nadine Gordimer, Margaret Atwood und Anne Michaels verbinden die Häuser. Bloomsbury besitzt auch eine Niederlassung in den USA: „Es ist sinnvoll für uns“, sagt Verleger Nigel Newton, „ein wichtiges Buch auf den drei größten Buchmärkten der Welt zu verlegen.“

Im Berlin Verlag erscheinen nun die Kinderbücher, die ursprünglich eine Münchener Dependance aus England übernehmen sollte. Bloomsbury ging also vor dem Verlagskauf so vor wie die zweite Gruppe ausländischer Verlage: Flammarion, Dorling Kindersley und Phaidon besitzen jeweils eine deutsche Außenstelle. Die jüngste Filiale stammt von Flammarion. Sie besteht aus einem Verlagsleiter, der auf der Buchmesse erstmals dreizehn mehrsprachige Bücher zu Kunst, Weltreligionen und Lebensart vorlegt – eine Auswahl aus dem 1500 Titel jährlich umfassenden Programm von knapp 20 französischen Unternehmen, die seit drei Jahren zur Verlagsgruppe Rizzoli Corriere della Sera (2 Milliarden Euro Umsatz) gehören.

Sieben Menschen arbeiten dagegen in der Berliner Niederlassung des britischen Kunstbuchverlags Phaidon (27,6 Millionen Euro Umsatz), der auch in New York und Paris vertreten ist. Seit drei Jahren vertreiben sie das gesamte Verlagsprogramm, in dem 60 Titel jährlich erscheinen, und produzieren jährlich 20 deutsche Ausgaben. Phaidon schätzt die Nähe zum Buchhandel. „Auch die Kritik nimmt unsere Bücher jetzt wahr“, freut sich Pressechefin Alexandra Le Faou.

1999 ging der für seine üppigen Illustrationen bekannte Sach-, Reise-, Koch- und Kinderbuchverlag Dorling Kindersley (245 Millionen Euro Umsatz) nach Deutschland. 40 Angestellte erstellen etwa 150 deutsche Übernahmen (13 Millionen Euro Umsatz) aus 300 englischen Titeln. Die Bücher müssen aufwändig überarbeitet werden: Fauna und Flora, Medikamente, Klima und vieles mehr sind meist „zu englisch“.

Fünf Verlage, zwei Strategien und eine Hürde: die nationalen Eigenheiten. Allerdings ist die Hürde nicht überall gleich hoch. Das lässt eine differenzierte Entwicklung erwarten. In der Literatur ist jede Anpassung an den Lesergeschmack verpönt, und die bei der Belletristik geringen Produktionskosten legen sie auch nicht nahe. Daher wächst Bonnier durch Zukauf.

Anders verhält es sich in der Kunst, wo Markt und Sehgewohnheiten internationalisiert sind und teure grafische Arbeiten nach Wiederverwertung rufen. Das Kostenargument gilt auch bei illustrierten Sach- und Kinderbüchern sowie Bildbänden, die jedoch teilweise aufwändige Überarbeitungen verlangen. Ob sich hier Filialen rechnen, muss sich zeigen. Auffällig ist, dass Bonnier & Co. aus Europa stammen. Der deutsche Buchmarkt wird nicht globalisiert, sondern europäisiert. Es ist eine „nachholende Europäisierung“, wie sie bei Weinen, Möbeln und Autos längst üblich ist. Millionen Harry-Potter-Leser zeigen schon jetzt, dass Geschmacksangleichungen im Gange sind. Darum investieren ausländische Verlage in den deutschen Buchmarkt.

Jörg Plath

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