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Kultur: Fashion Week der neuen Musik Ein Symposium an der Berliner Staatsoper

Eins lässt sich nach dem zweitägigen Symposion im Rahmen des „Infektion“-Festivals an der Berliner Staatsoper mit Bestimmtheit sagen: Tot ist die Oper nicht. Sonst würde das Thema „Musiktheater im 21.

Eins lässt sich nach dem zweitägigen Symposion im Rahmen des „Infektion“-Festivals an der Berliner Staatsoper mit Bestimmtheit sagen: Tot ist die Oper nicht. Sonst würde das Thema „Musiktheater im 21. Jahrhundert“ die Gemüter eines altersmäßig gemischten Publikums nicht derart erhitzen.

Die Rolle des agent provocateur übernahm erwartungsgemäß Regisseur Michael von zur Mühlen, der seinem aus bekennenden 68er-Pauschalfragen bestehenden Vortrag ein unbekömmliches Satyrspiel folgen ließ: eine Fotoserie von Prominenten in großer Abendtoilette bei der Wozzeck-Premierenfeier der Staatsoper, begleitet von der Frage: Was machen wir hier eigentlich? Gala-Event-Kultur? Dies kam in so manchen falschen Hals. Berechtigt ist sie zwar, die Frage, was eine Kulturinstitution meint tun zu müssen, um sich in der Gesellschaft Beachtung zu verschaffen – nur leider blieb der Referent die Anworten schuldig, außer dass er auf Sozialkritik und gesellschaftspolitischer Relevanz im heutigen Musiktheater pochte. Was sich in Relation zu den von ihm verursachten Wogen als etwas mager erwies.

Mit mehr Substanz und weniger Ideologie verschreibt sich die Librettistin Hannah Dübgen einem nicht unähnlichen Ansatz. Die Relevanz für die heutige Welt und die Eignung für das Medium Musiktheater sind für sie die Hauptkriterien, die ein potenzieller Opernstoff erfüllen muss. Die Oper „Matsukaze“, die sie mit dem Komponisten Toshio Hosokawa gestaltet hat, trifft demnach ins Schwarze. Die Auseinandersetzung mit dem japanischen Nô-Theater garantiert die in einer globalisierten Welt relevante Interkulturalität. Die in der japanischen Kultur und Religion übermächtige Rolle der Natur – im Zeitalter von Fukoshima aktueller denn je. Was kann da noch schiefgehen?

Podiums- wie Publikumsgespräche zeichneten sich durch diffuse Uneinigkeit aus. Strömungen gab es sehr wohl zu erkennen, Bewegungen aber keine – dem steht der Pluralismus wirksam entgegen. Anything goes, nothing matters. Fern von jedem dogmatischen Marschroutendenken zeigten sich vor allem die anwesenden Interpreten, die Sänger Georg Nigl und Sarah Maria Sun, aber auch die Regisseurin Reinhild Hoffmann beschrieb einen sehr undogmatischen Schaffensprozess mit viel Raum für Identifikation mit der Materie.

Die fundamentale Notwendigkeit der Oper bestätigte eine Stimme aus dem Publikum mit der simplen Forderung: „Wir wollen bewegt werden!“ Im Kopf und im Herzen, fügte Hannah Dübgen hinzu. Nicht umsonst vereinen die Griechen die Begriffe Geist und Herz in einem Wort: Psyche.

Immer wieder wurde es erwähnt: Qualität hat sich stets durchgesetzt – warum also nicht darauf bauen und das thematisieren, was einen selber bewegt? Als Teil einer Gesellschaft und einer Zeit spiegelt man diese automatisch. Die Überbewertung der Aktualitätsfrage zieht auch eine gewisse Fatalität mit sich. Denn mit dem saisonalen Wandel der Aktualitäten fällt eben auch ein Werk, das auf dieser Prämisse aufbaut, schneller der Vergessenheit anheim. Barbara Eckle

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