zum Hauptinhalt

Kultur: Fasten gegen die Lebenslähmung

Stilleben: "Alles, was ich mag" von Martin SulikVON LENNART PAULEin bißchen Angst war schon mit dem Besuch von "Alles, was ich mag" verbunden: Angst vor Enttäuschung.Schließlich hatte der Slowake Martin Sulik 1995 mit "Der Garten" einen stillen und auf unaufdringliche Weise bildgewaltigen Film gedreht, eine ironische Besinnung auf Jean-Jacques Rousseaus naturhaften Urzustand der Menschheit.

Stilleben: "Alles, was ich mag" von Martin SulikVON LENNART PAULEin bißchen Angst war schon mit dem Besuch von "Alles, was ich mag" verbunden: Angst vor Enttäuschung.Schließlich hatte der Slowake Martin Sulik 1995 mit "Der Garten" einen stillen und auf unaufdringliche Weise bildgewaltigen Film gedreht, eine ironische Besinnung auf Jean-Jacques Rousseaus naturhaften Urzustand der Menschheit.Daß nun Suliks Frühwerk aus dem Jahr 1992 ins Kino gebracht wird, hätte dem Bild vom Regietalent Risse zufügen können.Aber um es vorweg zu nehmen: Das Bild leidet nicht.Es verdichtet sich.Die Linie von Jakub, dem Protagonisten aus "Der Garten", der sich auf das Land zurückzieht und dort eine Liaison mit dem Irrationalen eingeht, diese Linie führt geradewegs zu Thomás, der Hauptfigur aus "Alles, was ich mag".Thomás ist wie Jakub ein Mann am Rand der Gesellschaft, der seine eigene Mitte sucht, ein Träumer, zugleich ein tief in den Alltag Verstrickter, der sich von seiner Lebenslähmung befreien will.Er hat beschlossen zu fasten, als "Protest gegen die Genußsucht der Zeit" und als Versuch einer innerer Reinigung.Trotz dieser selbstgewählten Isolation bleibt Thomás gefangen in einem Geflecht aus Beziehungen - zu seinen Eltern, seiner getrennt lebenden Frau, die ihn zurückgewinnen will, zu seiner Freundin Ann.Und schließlich zu seinem Sohn.Ihm möchte Thomás Liebe geben - und ist doch kaum fähig, ein Gespräch zu beginnen.Am Ende steht für Thomás die Entscheidung, ob er er sein Leben radikal verändert, indem er die Slowakei mit Ann verläßt.Die direkte Kommentierung der politischen Verhältnisse ist Suliks Sache nicht.Aber indirekt geht er ständig darauf ein, indem er seine wenigen Figuren als Spiegel der Gesellschaft einsetzt.Wenn Thoms dem Essen entsagt, erzählt er auch von einer Werteverschiebungin Richtung Konsumgesellschaft und Oberflächlichkeit.Optisch arbeitet Martin Sulik dieser Entwicklung entgegen.Seine stärksten Bilder komponiert er aus wenigen Elementen: ein Bett, ein Schrank, zwei Menschen.Oder ein Auto am Seeufer, ein Junge, ein Cello.Er entwirft Stilleben, in denen die Menschen zu einem natürlichen Teil ihrer Umwelt werden, bevor sie wieder aus ihr heraustreten.Es gibt noch eine andere Möglichkeit, von diesem Film zu erzählen.Bei ihr steht der Regisseur im Mittelpunkt.Er sitzt mit seinem Drehbuchautor zusammen, während die Tschechoslowakei in zwei Teile zerfällt.Die Welt ist zu sehr von allem Negativen fasziniert, befinden die beiden.Wo aber bleibt das Positive? Und sie gehen alle Situationen, Menschen, Dinge durch, die sie mögen.Um diese Momente ihres persönlichen Glücks herum entwickeln sie ihre Geschichte.Leicht könnten die beiden da ein rosarotes Filmwölkchen zum Kinohimmel hinaufschicken.Doch davon sind sie weit entfernt, auch dank ihrer Vorliebe für Tragikomik.Was stattdessen entsteht, ist eine episodenhafte Liebeserklärung an das Leben, gerade in schwierigen Zeiten. Im Kino Balazs (OmU)

LENNART PAUL

Zur Startseite