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Kultur: Feine Floskeln

Angela Merkel bei der 25-Jahr-Feier des DHM.

Hinterher gab’s Kalbstafelspitz, gebeizten Zander, Spanferkelrücken undundund. Aber da war Angela Merkel schon weg. Genau eine Stunde hatten die Hüter ihres Terminkalenders für die Anwesenheit der Kanzlerin beim gestrigen Festakt zum 25-jährigen Bestehen des Deutschen Historischen Museums (DHM) eingeräumt, Gruß- und Dankesworte weiterer Redner sowie Musikumrahmung eingeschlossen. Merkel selbst hielt die Festrede – und sagte kein einziges Wort.

Keines jedenfalls, mit dem sie hörbar die Gelegenheit ergriffen hätte, in die Fußstapfen ihres Vorvorgängers Helmut Kohl zu treten und ein bisschen Geschichtspolitik zu treiben. Es blieb bei den üblichen Floskeln. „Die konsequent europäische Ausrichtung“ des DHM „erwies sich als Schlüssel zum Erfolg“, beispielsweise. Denn „die Wiedervereinigung unseres Landes war nicht denkbar ohne europäische Einigung.“ So dass „wir Europäer zu unserem Glück vereint“ seien, „auf dem Fundament unverbrüchlicher Werte, die uns tragen“.

Und zum Schluss, an die Museumsleute um DHM-Präsident Alexander Koch und seine Vorgänger, Hans Ottomeyer und zuvor Christoph Stölzl, gerichtet:  „Sie haben Deutschlands Bild in der Welt maßgeblich mitgeprägt und tun das auch heute. Herzlichen Dank!“ Und ab ging die Kanzlerin zum Schnellrundgang durchs Haus, während das Gros der 700 Festgäste dem „Flying Service“ zustrebte.

Ja, die Dinge haben sich gewandelt in 25 Jahren DHM. Wo Kohls Museumspläne – zu denen auch das 1992 eröffnete „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ in Bonn zählt – anfangs von Argwohn und Ablehnung begleitet waren, weil jeder Umgang mit Geschichte als Sakrileg an der selbstverordneten Geschichtslosigkeit der westdeutschen Bundesrepublik galt, macht sich heute das Fehlen eines historischen Engagements, ja überhaupt nur Standpunkts unangenehm bemerkbar. Gewiss, anderes ist von dieser Kanzlerin nicht zu erwarten, die es sich gestern sogar leistete, ausgiebig Kohl zu zitieren; sie, die die Laufbahn des Älteren buchstäblich mit einem Federstrich beendete.

Farbe in die farblose Versammlung brachte allein Gründungsdirektor Stölzl. Aus heiterem Himmel forderte er mehr Platz fürs Museum: „Vor allem das 20. Jahrhundert harrt der großen Bühne.“ Wohl wissend, dass die Geschichtsdarstellung des Deutschen Historischen Museums ursprünglich nur bis zum Jahr 1945 reichen sollte, um die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik für das Bonner Haus aufzusparen. Das ist längst obsolet, wenn auch nicht offiziell. So wirkte der unverblümt an die Kanzlerin gerichtete Wunsch nach mehr Platz, womöglich einem weiteren Haus, wie ein Versuchsballon, von unverfänglicher Seite losgelassen. Da kommt noch was, darf man wohl sagen. Bernhard Schulz

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