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Aus den Fugen. Auf der Arco spielt die Skulptur „Spin-the-Spin“ der US-Künstlerin Alice Aycock mit der Schwerkraft. Foto: EPA/F. Alvardo

© dpa

Kultur: Feine Freunde

Der europäische Markt schrumpft – und die große Madrider Kunstmesse Arco orientiert sich nach Lateinamerika.

Romanische Sprachen sind aktuell fast die einzigen Zungenschläge, die auf der Arco zu hören sind. Englisch ist hier und da zu vernehmen, jedoch in den seltensten Fällen als Muttersprache. Das dürfte zum großen Teil an dem überarbeiteten Sammlerprogramm liegen, das immer noch einzigartig ist im Kunstmarkt. 250 Sammler(-paare) fliegen die Spanier ein, dazu 150 Kuratoren. Allerdings hat sich der Schwerpunkt der Kundenwerbung offensichtlich verschoben. Vor allem Lateinamerika scheint der Gewinner zu sein. Franzosen und Italiener sind ebenfalls relativ zahlreich.

Deutsche Sammler machen sich rar auf der Arco. Das war früher anders, und der Zusammenhang mit einer anderen Einladungspolitik der Messe drängt sich auf. Das ist etwas beschämend und irgendwie bezeichnend: Werden sie nicht eingeladen, kommen sie auch nicht. Dann kann die Messe ihnen auch nicht so wichtig gewesen sein. Erstaunlich ist nur, dass deutsche Galerien das anders sehen. Von 23 auf 30 ist ihre Zahl gewachsen. Damit stellen sie das größte auswärtige Kontingent auf einer ohnehin überraschend internationalen Messe. Nur 68 der 202 Teilnehmer stammen noch aus Spanien, letztes Jahr waren es noch 75. Absurderweise macht es der spanische Staat den Kunstvermittlern schwer, an einer Leistungsschau im eigenen Land teilzunehmen: Für sie fallen neuerdings hier 21 Prozent Mehrwertsteuer an. Wettbewerber aus Ländern mit niedrigerem Steuersatz sind da im Vorteil.

Doch nicht nur spanische Galerien sehen den Marktplatz kritisch. Schließlich befindet sich das Land seit fünf Jahren ununterbrochen in der Krise. Die Fluktuation unter den Teilnehmern ist recht hoch. Ein Drittel der Galerien von 2012 ist nicht wiedergekommen. Nur mit den jährlich wechselnden Gastländern ist das nicht zu erklären. Das weiß auch Arco-Direktor Carlos Urroz: „Wenn man sich die Nachrichten anschaut, bekommen manche kalte Füße. Ich verstehe das.“

Bei deutschen Galerien erfreut sich Arco hingegen wachsender Beliebtheit, besonders bei Berlinern. Zwei Drittel kommen aus der Hauptstadt. Und die sind es ohnehin gewohnt, dass ihre Kunden nicht aus Berlin kommen. Es ist in Madrid für sie also ein bisschen wie zu Hause. Die Sammler reisen aus allen Ländern Europas an. Mehdi Chouakri etwa hat zwei kleine Installationen von Silvie Fleury für je 25 000 Euro und eine große Leinwand von John Armleder für 60 000 Euro an Sammler aus der Schweiz und Spanien verkauft. Spanier kaufen durchaus noch Kunst. Trotz Krise und 30 Prozent Arbeitslosigkeit. Das bestätigt die Galerie Max Weber Six Friedrich aus München. Sie hat am ersten Tag Arbeiten von Peter Zimmermann (27 000 Euro) und Rainer Splitt an spanischsprachige Sammler verkauft. Beide Künstler arbeiten mit farbigem Kunststoff. Spanier haben keine Angst vor Farbe. Und es geht sogar im Großformat, auch wenn das die Ausnahme ist. Juana de Aizpuru aus Madrid hat eine neue Arbeit von Albert Albert Oehlen für 340 000 Euro an einen Sammler verkauft. Und bei Lelong (Paris/New York) findet die Aufzählung der Verkäufe beim Blick durch den Stand fast kein Ende – hier allerdings durchweg zu Preisen bis höchstens 100 000 Euro. Sogar die spanischen Institutionen kaufen. So konnten Klemm’s aus Berlin eine große Leinwand von Adrian Sauer (15 000 Euro) an eine spanische Bank vermitteln. Allerdings hat sich deren Marktaktivität verändert: Waren sie früher ganzjährig auf Einkaufstour, konzentrieren sie jetzt ihre geschrumpften Etats auf Ankäufe auf die Arco.

So geht es jetzt insgesamt etwas bescheidener zu, doch immerhin geht noch etwas. Selbst Marlborough mit einer Dependance in Madrid backt deutlich kleinere Brötchen. Hatten die Filialisten vor einigen Jahren hier noch mittelprächtige Gemälde von Francis Bacon für etliche Millionen im Angebot, beschränken sie sich jetzt fast ausschließlich auf das dekorative zeitgenössische Programm. Größter Ausreißer nach oben ist ein mäßig attraktives Großformat von Fernando Botero – gegen Ende des zweiten Vernissagetages noch zu haben. Bei Edward Tyler Nahem wartet hingegen mit vier Millionen Euro das wahrscheinlich teuerste Werk der Messe, ein später, aber durchaus reizvoller Picasso, ebenfalls noch auf einen Käufer. An der Außenwand hängt ein kleines „Abstraktes Bild“ (1994) von Gerhard Richter zum stolzen Preis von 1,3 Mio. Euro. Der New Yorker Händler erklärt: „We do what we do.“ Er zeige in Madrid natürlich mehr spanische Künstler, doch er sehe es nicht ein, schwächere Ware mitzubringen, nur weil der Marktplatz aktuell etwas schwächle. Damit sei er in den bisher neun Jahren seiner Teilnahme immer gut gefahren.

Gegenüber bei der Madrider Galeria Leandro Navarro gibt es ein klitzekleines quadratisches Stillleben von Pablo Picasso von 1919, laut Galerie mit erstklassiger Provenienz und seit langer Zeit nicht öffentlich angeboten. Beim Preis von 1,38 Mio. Euro gebe es ernsthaftes Interesse. Mittlere Ware sei hingegen praktisch unverkäuflich, erklärt der Händler.

Vom Schwerpunkt „Focus Turkey“ profitieren die nicht-türkischen Aussteller kaum. Die angereisten türkischen Sammler kaufen wohl eher bei ihren Landsleuten. Deren Community ist ohnehin recht international. Wohlhabende Türken finden sich rund um den Globus, und die türkischen Künstler wurden großenteils im Ausland ausgebildet oder leben dort. Das erklärt auch den rasanten Aufstieg einer Gruppe türkischer Galerien. Sie haben international einen Exotenbonus, sind aber in der Kunstwelt verwurzelt und können gleichzeitig auf ihr patriotisches Netzwerk zurückgreifen.

Arco Madrid, bis 19.2., www.ifema.es/ferias/arco/default.html

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