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Kultur: Fern der Zensur

PLAKATKUNST

„Kunst im Vorbeigehen“ will die Bundeszentrale für politische Bildung in ihrem Berliner Medien- und Kommunikationszentrum künftig erlebbar machen. Zum Verweilen lädt die Ausstellung „Obenauf im Untergrund“ (bis 16. April, Stresemannstr. 90, montags bis freitags 8 - 18 Uhr) tatsächlich nicht ein: Im zugigen Foyer des Deutschlandhauses hängen 13 Plakate kommentarlos nebeneinander; nur ein Faltblatt erklärt, worum es geht. Eine derart lieblose Präsentation haben diese Arbeiten nicht verdient. Immerhin handelt es sich teilweise um Unikate, die aufwändig als Siebdrucke oder Fotohandabzüge auf Baryt-Papier gefertigt wurden. In der späten DDR dienten sie als Hinweise auf Ausstellungen nonkonformistischer Künstler in kleinen Privatgalerien. Bis zu einer Auflage von 100 Exemplaren durften sie ohne Druckgenehmigung hergestellt werden. Dieser der Zensur entzogene Freiraum wurde weidlich ausgenutzt. Im Vergleich zur heutigen Reklame für Kultur-Events, die von Produktwerbung kaum zu unterscheiden ist, fällt eine Ästhetik der Verweigerung auf: Erratische Motive, holzschnittartige Kontraste, chaotische Typografie, dem Schriftbild von zur selben Zeit im Westen veröffentlichten Punk-Fanzines ähnelnd. So kann nur gestalten, wer sich der Aufmerksamkeit seines Zielpublikums völlig sicher ist – und zugleich unerwünschte Besucher abschrecken will. An diesem Ort laufen die Werke allerdings Gefahr, schlicht übersehen zu werden. Dann bliebe ihnen die Beachtung, die aufgrund ihrer individuellen Handschrift angemessen wäre, abermals versagt: Diesmal nicht wegen Systemzwängen, sondern wegen fahrlässiger Achtlosigkeit des Veranstalters.

Oliver Heilwagen

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