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Kultur: Ferne Nähe

FORUM Zwei Annäherungen an die Türkei

Ein dokumentarisches Roadmovie ist Thomas Arslans Film „Aus der Ferne“ oder auch ein schöner Reise–Essay: Zum ersten Mal hat sich der in Essen gebürtige Regisseur filmisch mit dem Land auseinandergesetzt, aus dem sein Vater stammt. Von Istanbul aus ist er in den Osten des Landes aufgebrochen, mit einem Blick auf den Berg Ararat endet seine Reise. Nur sparsam kommentiert Arslan seine Bilder aus dem Off, touristische Blicke auf Postkartenansichten, Volkstümlich-Niedliches und Fremdartig-Bizarres kommen nicht vor. Arslan verzichtet auf die glühenden Sonnenuntergänge über dem Goldenen Horn und zeigt stattdessen ganz gewöhnliche Istanbuler Straßenszenen: einen Müllsammler und seinen Sohn, die Plastikflaschen aus Bergen von Unrat herausfischen, Männer, die ins Fußballstadion drängen, eine kleine Textil-Näherei.

In Ankara, wo er selbst die Grundschule besucht hat, beobachtet Arslan eine Lehrerin und ihre Klasse beim Englischunterricht und besucht die Schwester seines Vaters. Verkehrswege und -knotenpunkte sind wiederkehrende Motive in diesem Film. In Dogubayazit, dem Ort, der mit seinen Vogelgrippe-Opfer ein paar Monate später durch die Presse ging, zeigt er eine gespenstisch leere Straßenkreuzung bei Nacht. Je weiter man nach Osten fährt, um so weniger bestimmen die Frauen das Bild der Städte. Ein Straßenjunge, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „San Francisco Beach Volleyball“ trägt, steht dagegen für die noch in den fernsten Ausläufern des Landes präsente Sehnsucht nach dem westlichen Lebens- oder zumindest Konsumstil.

Aysun Bademsoys Studie „Am Rand der Städte“ über die „Deutschländer“, die aus der Ferne ins Geburtsland zurückgekehrten ehemaligen „Gastarbeiter“, kann man als passende Ergänzung zu Arslans Film sehen. Bademsoy, die 1960 in der Türkei geboren wurde und mit neun Jahren nach Berlin kam, bleibt mit ihrer Kamera in den bewachten, luxuriösen Wohnanlagen nach amerikanischem Vorbild, in die sich die Remigranten zurückgezogen haben: Hochhausblocks in Meernähe, umgeben von nach deutschem Vorbild gepflegten Rasenflächen im deutschen Stil, geharkten Wegen, riesigen Swimmingpools. Die von der Filmemacherin porträtierten Paare und Familien erzählen, dass sie sich außerhalb der Siedlung kaum aufhalten, weil sie mit den realen Bedingungen im Land nicht mehr zurechtkommen.

„Die Heimkehrer mit reinem Herzen sind den hungrigen Wölfen in der Türkei ausgeliefert“, beschreibt eine geschiedene Frau ihre Erfahrungen. Die Interviewpartner sprechen auch über die Zerrüttung ihrer Ehen und Familien, die der Wechsel in ein anderes Land bedeutet hat. Im Gegensatz zu der Weite des Landes, die Arslans Film zeigt, steht die komfortable Enge der Rückkehrer-Wohnsiedlungen bei Bademsoy, die eines der auffälligsten Merkmale der Türkei gerade ausschließt: ihre landschaftliche, kulturelle und soziale Vielfalt.

„Aus der Ferne“: heute 10 Uhr (Cinemaxx 3), 16. 2., 17.30 (Arsenal), 17. 2., 19 Uhr (Cinestar 8). „Am Rand der Städte“: 16. 2., 19 Uhr (Delphi), 17. 2., 10 Uhr (Cinemaxx 3), 19. 2., 17.30 (Arsenal)

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