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Kultur: Fernsehzimmer: Sonja

Aufregendes Fernsehen bietet, im Guten wie im Bösen, Verblüffung im Ritual. Die ausgestellten Brüste der Showmasterin Sonja Zietlow und die kleinen, überschlauen Racker im neuen RTL-Quiz "Deutschlands klügste Kinder" - das war eine wunderliche Kombination.

Aufregendes Fernsehen bietet, im Guten wie im Bösen, Verblüffung im Ritual. Die ausgestellten Brüste der Showmasterin Sonja Zietlow und die kleinen, überschlauen Racker im neuen RTL-Quiz "Deutschlands klügste Kinder" - das war eine wunderliche Kombination. Siebeneinhalb Millionen Zuschauer haben die Show, in der sich Zehn- bis Zwölfjährige über Claude Debussy oder Geothermik auslassen, zu einem unverhofften Samstagabend-Erfolg gemacht.

Show-Masterin Sonja tritt als Mischung aus Demeter, Sonnentemplerin und Leutnant Jagellowsk auf. Sie hat ihr Handwerk bei einem dieser aussterbenden Nachmittags-Talks gelernt, vor allem aber bei "Der Schwächste fliegt". Als TV-Variante einer Internatsdirektorin mit Sadomaso-Touch hat sie jetzt zu sich selbst und ihrer besten Rolle gefunden. Die Regie lässt sie stets halbschräg von unten aufnehmen, die Kamera fährt ins Dekolleté, wenn sie einen Zögling ins Visier nimmt: "Daniel Alm, ich frage dich: Welche Winkelsumme hat ein gleichschenkliges Dreieck?" Der Kölner "Express" lässt den Kinderpsychologen Arnd Stein zur "Streber-Show" sagen: "Der Leistungsdruck in der Schule ist groß genug. Da muss man im Fernsehen nicht noch zusätzlichen Druck aufbauen." Außerdem könne der Push-Up-Look von Frau Zietlow "einen pubertierenden 12-Jährigen schon irritieren".

Fernsehshows galten lange Zeit als Angebote für Entspannung und Eskapismus. Die Unterhaltungswelt des Marktführers RTL sieht seit einiger Zeit ganz anders aus. Die Sport- und Spielsendungen nehmen den spätbürgerlichen Leistungswettkampf auf und spielen die Möglichkeiten des televisionären Kolosseums durch. "Big Brother" und Formel 1, "Wer wird Millionär?" und Skispringen, der "Domino-Day" und die Champions-League - RTL sagt seinen Zuschauern, dass im Dschungel des 21. Jahrhunderts nur überleben wird, wer Ausdauer, Zähigkeit, Grundschnelligkeit an den Tag legt. Die verblödelt-hedonistischen Tage von "Tutti Frutti" sind endgültig passé.

Die neuen, härteren Quizshows gibt es natürlich auch bei anderen Sendern. Das ZDF hat es sogar geschafft, eine Militärsportart wie den Biathlon für das Fernsehen neu zu dramatisieren, aber nur die gut geölte Formatmaschine RTL bietet das klirrende Leistungsfernsehen in nahezu geschlossener Anmutung. In dieser Sphäre ist Sonja Zietlow als Moderatorentyp signifikanter als Günter Jauch, der mit seiner trickreichen Verbindlichkeit eher zwischen der seligen Familienunterhaltung der Rosenthals und Thoelkes und den stählernen Show-Inszenierungen steht. Die RTL-World im Internet sagt uns über die 32-jährige Sonja, sie sei ausgebildete "Verkehrsflugzeugführerin", fahre Wasserski-Monoslalom und schieße mit dem Bogen. Sie ist bereits durch ein Meer kommerzieller TV-Formate gewatet, wie "Bim Bam Bino" und "Hugo" (Kabel 1) oder "Hotzpotz" (RTL 2) und "Pack die Zahnbürste ein" (Sat 1). Wenn sie über "Der Schwächste fliegt" sagt: "Dabei bin ich tough, hart und skrupellos", klingt das über die Sendung hinaus glaubwürdig.

Ihr erster großer Samstagabend mit "Deutschlands klügsten Kindern" wirkte wie eine Episode aus Tom Wolfes "Fegefeuer der Eitelkeiten", mit einer scharfen Präsentatorin, bärtigen Lehrertypen, hager-angestrengten Müttern und irgendwie überzüchteten Kinderwachsenen als Probanden. Gegen dieses Härtefernsehen wirkt der übrige feuilletonistische Kulturbetrieb, von den "Vagina-Monologen" bis zu Schlingensief, gestrig und zerfahren. Der kampferprobten Sonja Zietlow, dem gegenwärtigsten deutschen Show-Star, kann man hingegen ohne Mühe weitere Karrieresprünge vorhersagen.

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